Empfehlung zur Leistungstrennung der Länder-Bund-Gruppe

Von stationär zu ambulant: BTHG-Umsetzung
Dienstag, 12 März 2019 10:03

Die mit dem BTHG geforderte personenzentrierte Leistungserbringung hat zur Folge, dass zukünftig Fachleistungen der Eingliederungshilfe von existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt werden. Diese Leistungstrennung führt dazu, dass Anbieter von stationären Wohnangeboten der Eingliederungshilfe ihre Leistungen neu definieren und vor allem anders abrechnen müssen. Die Länder-Bund-Arbeitsgruppe hat im Oktober 2018 dazu eine Empfehlung herausgegeben, die von den Leistungserbringern in der Vorbereitung auf die Umstellung im Jahr 2020 unbedingt Beachtung finden sollte. Wir stellen die wichtigsten Inhalte vor und wie mit ihnen umzugehen ist.

Stationäres Wohnen: Mehr finanzielle Selbstbestimmung für Leistungsberechtigte

Im Zuge der Leistungstrennung erhält die Bewohnerin bzw. der Bewohner einer Wohnform nach §42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. SGB XII ab 2020 für die Abdeckung der persönlichen existenzsichernden Bedarfe die notwendigen Mittel auf ein persönliches Konto. Das Bestimmungsrecht über die Verwendung dieses Betrags obliegt einzig dem Menschen mit Behinderungen bzw. dem oder der rechtlichen Betreuer/in. Diese vereinbaren mit dem Träger einer Einrichtung, welche Lebensunterhaltsbedarfe von diesem zu erbringen sind, welche Beträge sie dafür in Rechnung stellen dürfen und welche Lebensunterhaltsbedarfe von den Leistungsberechtigten eigenverantwortlich abgedeckt werden sollen. Dies erfordert von dem Träger der Einrichtung, dass er diese Bedarfe genau definiert hat.

Der heutige Barbetrag bei Erwachsenen umfasst insbesondere Aufwendungen für:

  • Persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (z.B. kulturelle Bedürfnisse, Teilnahme an Veranstaltungen, Benutzung von Nahverkehrsmitteln, Lese- und Schreibmaterial, Postgebühren, Geschenke, Genussmittel),
  • Körperpflege und Reinigung,
  • Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche von geringem Anschaffungswert sowie Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert,
  • Anschaffungen von Gegenständen zum persönlichen Gebrauch,
  • Zuzahlungen nach dem SGB V sowie Finanzierung der nicht von einem Krankenversicherungsträger zu übernehmenden medizinischen Hilfen

Auch nach der Leistungstrennung ist es das Ziel, dass der oder die Bewohner/in aus seinem bzw. ihrem Regelbedarf nach Abzug aller Kosten einen Anteil für die Deckung der Selbstversorgung behält.

Aufwendungen, die grundsätzlich aus dem Regelsatz gedeckt werden, sind insbesondere:

  • Ernährung, also hier die Beschaffung von Lebensmitteln und Getränken
  • Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung, sofern dies nicht bereits im Mietvertrag geregelt wurde
  • Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, sofern dies nicht bereits im Mietvertrag geregelt wurde
  • Bereitstellung von Telekommunikation, sofern dies nicht bereits im Mietvertrag geregelt wurde
  • Mobilität
  • Reinigungsmittel

Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die zum 1. Januar 2020 in Kraft tretende Neuregelung in § 42a Abs. 5 SGB XII bestimmte Bedarfe, die andere Leistungsberechtigte durch den Regelbedarf abdecken müssen (z.B. Haushaltsstrom, Instandhaltung, Gebühren für Telekommunikation) bei Personen, die in einer besonderen Wohnform nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII leben, über die Kosten der Unterkunft abgedeckt werden.

Leistungstrennung: Träger müssen definieren und bepreisen

Bewohner/innen von besonderen Wohnformen erhalten Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 2, das entspricht derzeit 374 Euro ggfs. zzgl. Bekleidungsmittel. Geht man davon aus, dass der zukünftige Betrag zur persönlichen Verfügung weiterhin 27 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 beträgt, derzeit 112 Euro, so kann dem oder der Bewohner/in bis zu 262 Euro für regelbedarfsrelevante Leistungen durch die Einrichtung in Rechnung gestellt werden. Dies erfordert aber von der Einrichtung, diese Leistungen genau zu definieren und zu bepreisen. Es gilt zu klären, welche regelbedarfsrelevanten Leistungen zukünftig durch die Einrichtung abgedeckt werden und welche der Bewohner oder die Bewohnerin eigenverantwortlich abdecken muss und welcher Betrag dem Bewohner oder der Bewohnerin dafür in Rechnung gestellt wird.

Gesamtplanverfahren legt Regelsatz fest

Der Anteil des Regelsatzes, den Bewohner/innen als Barmittel behalten, wird im Gesamtplanverfahren definiert. Diese Definition beinhaltet auch, welche Leistungen durch die Einrichtungen erbracht werden und deshalb in Rechnung gestellt werden. Auf Seite 5 der Empfehlung heißt es:

„In der Gesamtplankonferenz wird zunächst bei der Beratung über die Leistungserbringung unter Beteiligung der jeweiligen Leistungserbringer auch über den Anteil des Regelsatzes beraten, der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt. Das Ergebnis dieser Beratungen fließt in der weiteren Abfolge in den Gesamtplan ein. Die Ergänzung des § 121 trägt dazu bei, dass dieses Ergebnis zu den Mindestinhalten des Gesamtplans gehört. Mit dieser Dokumentation wird einerseits Transparenz geschaffen, andererseits dient sie dem Schutz des Leistungsberechtigten. Auf der Grundlage des Gesamtplans wird dann der Verwaltungsakt erlassen (§ 120). Mit einer korrespondierenden Regelung im Vertragsrecht (§ 123 Absatz 4) wird eine Verbindlichkeit des im Gesamtplan dokumentierten Ergebnisses der Beratung für den Leistungserbringer geschaffen. Dort wird expliziert geregelt, dass die Leistungen unter Beachtung der Inhalte des Gesamtplans nach § 121 zu erbringen sind. Bei Nichtbeachtung der Verpflichtungen der Leistungserbringer greift das Recht zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung nach § 128; auch die Sanktionsmöglichkeit nach § 129 besteht.“

Mitarbeitende müssen sensibilisiert und geschult werden

Bereits heute erfordert die Frage, welche regelbedarfsrelevanten Leistungen über die Einrichtung und welche von den Bewohner/innen finanziert werden, für die Mitarbeitenden der Einrichtung eine Auseinandersetzung damit und eine Sensibilität dem Thema gegenüber, die zukünftig unter Beachtung des o.g. Vertragsrechtes und der Leistungstrennung an Bedeutung gewinnen wird. Derzeit findet diese Diskussion eher in Ausnahmefällen statt, da der Rahmen der pauschalisierten Leistungen individuelle Bedarfe steuert und die Gestaltungsmöglichkeiten dafür einschränkt. Für die zukünftig notwendige individuelle Ausrichtung und Gestaltung braucht es neue Kompetenzen bei den Mitarbeitenden. Frühzeitige Schulungen und Fortbildungen in diesem, aber auch anderen Bereichen, die die Umsetzung des BTHG betreffen, stellen eine sinnvolle Maßnahme dar, um die Mitarbeitenden mitzunehmen und die Qualität sicherzustellen.

Text: Birgitta Neumann

Birgitta Neumann

Portrait von Birgitta Neumann, Marktfeldleiterin Eingliederungshilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe, der contec

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