Pflegeheim Rating Report 2020 mit contec-Gastbeitrag

Dienstag, 17 Dezember 2019 09:00

Die aktuell erschienene Studie „Pflegeheim Rating Report 2020: Zwischen Nachfragewachstum und Kostendruck“ leistet mit Zahlen und Analysen einen Beitrag zur Transparenz im deutschen Pflegemarkt, insbesondere in der stationären Pflege. Der Report wurde vom RWI und der hcb GmbH zusammen mit Kooperationspartnern erstellt. Er enthält auch einen Gast-Beitrag dreier contec-Experten zum unternehmerischen Wagnis. Beim 16. contec forum am 15./16. Januar in Berlin stellt Dr. Ingo Kolodziej, Wissenschaftler im Kompetenzbereich „Gesundheit“, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, den Report ausführlich vor. Die Leitfrage wird hier lauten: „Wie geht’s der Branche wirklich?“

Ein zentrales Ergebnis des neuen Pflegeheim Rating Reports ist, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Betrachtungsjahren 2015 bis 2017 leicht verschlechtert hat. Insgesamt, so lautet die Feststellung, geht es den Heimen dabei dennoch relativ gut. Den Ergebnissen zufolge lagen knapp vier Prozent 2017 im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr (77 Prozent im „grünen Bereich“, 18 Prozent dazwischen). Ein durchaus beachtlicher Anteil von einem Viertel der Heime (24 Prozent) schrieb 2017 einen Jahresverlust – im Vergleich zu 14 Prozent in 2015. Datengrundlage des Reports sind 370 Jahresabschlüsse aus den Jahren 2016 und 2017. Sie umfassen rund 13 Prozent des Markts.

Bereits bekannte Trends haben sich laut Studie bestätigt: Zum einen stieg der Anteil ambulant versorgter Pflegebedürftiger zwischen 1999 und 2017 von 20,6 auf 24,3 Prozent. Dazu hätten u. a. die starke Erhöhung der Pflegesätze der Pflegeversicherung für Leistungen der ambulanten Dienste seit 2008 sowie der Ausbau der ambulanten Pflege im Kontext der Pflegestärkungsgesetze beigetragen. Ebenso bestätigt sich der Trend zur Privatisierung: Der Anteil der in privaten Einrichtungen versorgten Pflegebedürftigen lag in Pflegeheimen 2017 bei 38,7 Prozent im Vergleich zu 25,4 Prozent im Jahr 1999. In ambulanten Diensten stieg der Anteil auf 51,6 Prozent. 1999 waren es hier 35,6 Prozent.

Auch das vieldiskutierte Thema des Personal- bzw. Fachkräftemangels wird im Report aufgegriffen. Zwischen 1999 und 2017 sind den Ergebnissen zufolge 348.000 zusätzliche Vollzeitkräfte hinzugekommen, sodass 2017 in der ambulanten und stationären Pflege insgesamt 819.000 Vollkräfte beschäftigt waren (davon 329.000 Pflegefachkräfte). Dennoch sind Pflegefachkräfte Mangelware: Das zeigt sich u. a. in der Zahl der gemeldeten offenen Stellen in Heimen. Diese war im Juli 2019 mehr als doppelt so hoch wie im Juli 2009. Seit Juli 2017 lässt sich laut Report ein ebenfalls beachtlicher Anstieg von sechs Prozent feststellen.

Hier sind selbstverständlich demografische Entwicklungen von Bedeutung, die der Report miteinbezieht. Die Gesellschaft altert: Bis 2030 wird in Deutschland mit 4,4 Millionen Pflegebedürftigen gerechnet, bis 2040 sogar mit fünf Millionen. Das wäre eine Steigerung von 26 bzw. 42 Prozent im Vergleich zu 2017. Geht man von einer Fortsetzung des Status quo aus, würde sich laut Studie ein zusätzlicher Bedarf von 378.000 stationären Pflegeplätzen bis 2040 ergeben.

Mehr Pflegebedürftige, mehr Personalbedarf: Bis 2040 wird in der Studie mit 184.000 bis 396.000 zusätzlichen Vollzeitkräften in der stationären und 107.000 bis 209.000 in der ambulanten Pflege gerechnet. Sollte sich die bisherige Pflegewahrscheinlichkeit fortschreiben, wäre der zusätzliche Bedarf an Pflegefachkräften bis 2040 dabei auf 102.000 in der stationären und 64.000 in der ambulanten Pflege zu beziffern. Hier halten die Studienautor*innen fest, dass eine Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs erreicht werden muss. Ebenfalls verweisen sie auf die Chancen durch Zuwanderung qualifizierter internationaler Pflegefachkräfte sowie durch den sinnvoll gedachten Technikeinsatz.

Die Studie fokussiert auch den zu deckenden Kapitalbedarf. Hier sei neben öffentlichem und freigemeinnützigem vor allem auch privates Kapital nötig. Dieses werde jedoch nur bereitgestellt, wenn es risikogerecht verzinst werde. Die Autor*innen empfehlen der Politik mit Nachdruck, die Regulierungsdichte zu reduzieren und die unternehmerische Handlungsfreiheit auszuweiten. Sie präferieren einen Markt mit ausreichend großem Angebot an Einrichtungen, die in einem Preis- und Qualitätswettbewerb stehen. Pflegebedürftigen biete sich so eine Spannbreite an Angeboten, aus denen dann ein qualitativ sowie preislich passendes gewählt werden könne. Die transparente, verständliche Darstellung bzw. Kommunikation von Pflegequalität sei dafür Voraussetzung.

Im Report tragen Michael Fikar, Detlef Friedrich und Michael Uhlig als Autoren der contec GmbH in einem Gastbeitrag Überlegungen unter dem Titel „Die Rendite-Diskussion im Leistungsrecht: Unternehmerisches Wagnis und Wirtschaftlichkeit von Pflegeeinrichtungen“ bei. Unter Bezugnahme auf die IEGUS-Studien zum Unternehmerischen Wagnis in der ambulanten und stationären Pflege halten sie u. a. fest, dass eine angemessene Rendite keinen Selbstzweck erfüllt. Vielmehr verleihe sie dem auch vom Gesetzgeber explizit als notwendig definierten Vergütungsbestandteil des Unternehmensrisikos im Verhandlungsgeschehen Geltung: „Die Bepreisung des allgemeinen unternehmerischen Wagnisses ist dabei ein Faktor, die Selbstfinanzierungskraft, die künftige Handlungsfähigkeit und die Innovationsfähigkeit von stationären Einrichtungen zu sichern.“ (S. 129 f.) Die contec-Autoren eröffnen anschließend das Diskussionsfeld, das sich aus den Ergebnissen des Pflegeheim-Rating-Reports zur Investitionskraft der untersuchten Pflegeunternehmen mit der Perspektive des Unternehmensrisikos ergibt.

Text: Linda Englisch
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