Gewaltschutz braucht Führung – Warum Schutzkonzepte ohne Management-Verantwortung nicht wirken

Kindergartenkinder haben ihre Hände mit Farbe bemalt und strecken sie hoch.
Mittwoch, 17 Dezember 2025 11:55

Seit der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetztes (KJSG) im Jahr 2021 sind Gewaltschutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Kitas verbindlich vorgeschrieben. Eine jetzt veröffentlichte, groß angelegte Bertelsmann-Studie in Kooperation mit der Universität Gießen zeigt jedoch: Auch wenn Schutzkonzepte formal vorhanden sind, zeigen sie im Alltag oft nur begrenzt Wirkung. Unsere Expertin Silke Mehre aus dem Beratungsbereich Kinder- und Jugendhilfe ordnet die Erkenntnisse der Studie ein.

Die Studie „Teamarbeit in KiTas: Zentral für Schutz und Wohlbefinden von Kindern“ basiert auf Befragungen von mehr als 21.000 Fach- und Leitungskräften. Das Ergebnis: Rund 11 Prozent geben an, problematisches Verhalten von Kolleg*innen den Kindern gegenüber „ständig“ oder „fast täglich“ zu beobachten, weitere 14 Prozent „an den meisten Tagen“. Pädagogisches Fehlverhalten ist damit kein Ausnahmefall, sondern Teil des Alltags in vielen Einrichtungen. Darüber hinaus gaben fast alle Befragten an, nicht durchgängig einzugreifen, selbst dann nicht, wenn sie Situationen beobachten, in denen Kinder aus ihrer Sicht geschützt werden müssten.

Ob eingegriffen wird, so die Studien-Autor*innen, hängt weniger von individuellen Einstellungen ab als von internen Faktoren wie dem Teamklima, dem Führungsverhalten sowie einer gelebten Feedback- und Fehlerkultur. Auch eine gute personelle Ausstattung wirkt nur dann präventiv, wenn sie mit klarer Führung und funktionierender Teamarbeit verbunden ist.

Gewaltschutz ist Führungs- und Managementaufgabe

Die Ergebnisse machen deutlich: Nicht das Fehlen von Konzepten ist das Problem, sondern ihre organisationale Verankerung und das Verhalten von Führungskräften. Aus Managementperspektive ist Gewaltschutz kein isoliertes Fachthema, sondern ein Querschnittsthema, das zentrale Bereiche sozialwirtschaftlicher Organisationen betrifft:

  • das Risikomanagement (Kindeswohlgefährdung, Haftungsfragen, Betriebserlaubnis)
  • das Qualitätsmanagement (pädagogische Prozessqualität, Teamarbeit, Beschwerde- und Feedback-Strukturen)
  • die Personal- und Führungsarbeit (Arbeitsbelastung, Fluktuation, Fachkräftesicherung) sowie
  • die Kultur- und Wertearbeit (Umgang mit Macht, Verantwortung, Fehlern und Grenzverletzungen).

Ein Gewaltschutzkonzept ist somit kein abgeschlossenes Dokument, sondern Teil eines dauerhaften Steuerungs- und Entwicklungsprozesses, für den sowohl der Träger als auch die Leitung Verantwortung tragen.

Wo Führung ansetzen muss

Gewaltschutz wird dort wirksam, wo Führung Verantwortung übernimmt und Klarheit schafft. Aus unserer Sicht sind dabei insbesondere vier Ansatzpunkte zentral:

  • Analyse der gelebten Praxis: Wie werden Schutz, Nähe und Kontrolle im Alltag tatsächlich gehandhabt? Wo entstehen Unsicherheiten? Wo bleiben Risiken unbearbeitet?
  • Klare Rollen und Zuständigkeiten: Wer ist wofür verantwortlich – im Team, in der Einrichtungsleitung und auf Träger-Ebene?
  • Verbindliche Kommunikations- und Meldewege: Schutz braucht Strukturen und darf nicht vom Mut oder der Belastbarkeit der*des Einzelnen abhängen.
  • Lern- und Reflexionsräume: Führungskräfte und Teams brauchen Zeit und Raum, um Grenzfragen, Fehler und Belastungen gemeinsam zu reflektieren.

Gewaltschutz ist kein einmaliges Konzeptprojekt, sondern eine dauerhafte Führungs- und Organisationsaufgabe. Ob Schutzkonzepte wirksam sind, entscheidet sich im Alltag: im Führungsverhalten, im Miteinander des Teams, in Besprechungen sowie darin, wie mit Konflikten umgegangen und wie Verantwortung wahrgenommen wird.

Titelbild: Shutterstock

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Silke Mehre

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