Krisenmanagement in Kindertageseinrichtungen: Schnittstellenmanagement als Erfolgsfaktor

Mädchen und Jungen in einer Kindertageseinrichtung hören ihrer Erzieherin zu.
Mittwoch, 03 April 2024 14:30

Akuter Personalmangel bei gleichzeitig immer weiter steigendem Betreuungsbedarf und einem Mehr an operativen Aufgaben: Kindergärten und Kindertageseinrichtungen (Kitas) stehen schon seit mehreren Jahren enorm unter Druck und sind zunehmend mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Die Auswirkungen bekommen insbesondere auch die Leitungen der Kindertageseinrichtungen als Führungskräfte „direkt am Geschehen“ zu spüren. Wir zeigen, wie anspruchsvoll und komplex die Aufgaben einer Kita-Leitung geworden sind und warum es sich lohnt, gerade die Schnittstelle zwischen Einrichtungsleitung und geschäftsführender Ebene des Kita-Trägers in den Blick zu nehmen und aktiv zu gestalten.

Rolle und Aufgaben einer Kita-Leitung

In letzter Zeit gibt es fast täglich neue Nachrichten über fehlendes Personal, Notbetreuungen und verkürzte Betreuungszeiten. In den Medien ist die Rede von „Kita-Krise“ oder „Kita-Notstand“. Die Auswirkungen dieser Entwicklung bekommen die Leitungen der Kindertageseinrichtungen als Führungskräfte besonders stark zu spüren. Sie sehen sich mit verschiedenen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Erwartungshorizonten an die frühkindliche Betreuung und Bildung konfrontiert.

Wie sehen dafür die Rahmenbedingungen aus? Wie kann die Kita-Leitung diesen unterschiedlichen Ansprüchen und Anforderungen überhaupt gerecht werden? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Rahmenbedingungen und Rollenzuschnitte von Kita-Leitungen fallen sehr unterschiedlich aus. Dasselbe gilt für die Zeitkontingente, die dafür zur Verfügung stehen. Obwohl die Leitung einer Kindertagesstätte eine anspruchsvolle und komplexe Management- und Führungsaufgabe ist, zeigt die Erfahrung, dass die in den Kita-Gesetzen der Länder vorgegebenen Zeitkontingente für die Leitungstätigkeit in der Praxis oft nicht ausreichen bzw. im eng getakteten Kita-Alltag nicht wie vorgesehen in Anspruch genommen werden können.

Zu den Aufgaben einer Kita-Leitung gehören im Wesentlichen:

  • die pädagogische Leitung
  • das Betriebsmanagement und die Organisation des Kita-Alltags
  • die Führung und Förderung der pädagogischen Mitarbeiter*innen sowie der zusätzlichen Kräfte, wie beispielsweise Alltagshelfer*innen, Hausmeister*innen und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen
  • Personalbeschaffung und -verwaltung
  • die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team, mit Eltern und Kooperationspartnern im Sozialraum (z.B. mit Schulen, Kindertagespflege, kulturellen Einrichtungen, medizinischen und therapeutischen Einrichtungen, Beratungsstellen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Kinderschutzeinrichtungen, wenn die Kita auch ein Familienzentrum ist)
  • die Organisationsentwicklung mit allen Beteiligten, dazu gehören u.a. auch das Qualitätsmanagement sowie die Konzeptentwicklung und -weiterentwicklung (u.a. Pädagogisches Konzept, Schutzkonzept, sexualpädagogisches Konzept)
  • Budgetverwaltung; Entscheidungen bzgl. Ersatzbeschaffung / Neuanschaffungen; Beteiligung am Wirtschaftsplan
  • Begleitung von Baumaßnahmen (Instandhaltung, Sanierung, Neubau)
  • Selbstmanagement – die eigene fachliche Positionierung und Fortbildung; Arbeitsorganisation; Zeitmanagement und Reflexion der eigenen Führungsrolle
  • Beobachtung von Rahmenbedingungen und Trends und das Ziehen von Schlussfolgerungen für die eigene Einrichtung
  • Im reduzierten Umfang: Die aktive Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder.

Diese vielfältigen Anforderungen im laufenden und oft stressigen Kita-Alltag miteinander in Einklang zu bringen und zu erfüllen, erfordert umfassende fachliche und persönliche Kompetenzen. Hinzu kommt die besondere Rolle, die die Kita-Leitung in einer Trägerstruktur übernimmt: Zum einen ist sie Führungskraft direkt an der Basis – und somit ganz nah an den Mitarbeiter*innen, den Kindern und den Eltern. Sie erhält so wertvolle Einblicke in bestehende Sorgen, Ängste und Konflikte, hat direkten Einfluss auf die Arbeitswelt der Mitarbeiter*innen und gestaltet maßgeblich die Qualität, das Image und die Attraktivität der Einrichtung. Gleichzeitig ist sie als Teil des Führungsteams die Schnittstelle „nach oben“ und somit in einer Vermittlungsposition zwischen Kindertageseinrichtung und Träger. Die Leitung ist quasi der „Dreh- und Angelpunkt“ und benötigt von beiden Seiten Unterstützung und Zuarbeit, um gute Arbeit leisten zu können.

Rollen- und Aufgabenzuschnitt Kita-Leitung und Träger

Der Träger hat die Gesamtverantwortung für die Kindertageseinrichtung(en). Er ist zuständig für den Betrieb und die wirtschaftliche Betriebsführung sowie für das Personal und die Ausstattung der Räume wie auch des Außenbereichs. Darüber hinaus trägt er die Verantwortung für die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und − gemeinsam mit der Kommune und ggf. mit der Kirchengemeinde − für den Bau und die Unterhaltung der Kita-Gebäude. Er stellt das Personal ein und ist Arbeitgeber bzw. Dienstherr. Mit dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das im Juni 2021 in Kraft getreten ist, werden Träger außerdem in die Pflicht genommen, geregelte Beschwerdeverfahren bereitzustellen. Die Dokumentationspflichten wurden ausgeweitet und die Prüfungspflichten der Aufsichtsbehörden konkretisiert.

Das Zusammenspiel von Kindertageseinrichtung und Träger ist entscheidend für den Erfolg einer Einrichtung. Deshalb sollte die Aufgabenwahrnehmung und -verteilung klar definiert und in der Praxis umgesetzt werden. Je nach Trägerform, Leitbild und Größe sind unterschiedliche Ausgestaltungen möglich, es empfiehlt sich, die Zuständigkeiten und Rollen deutlich voneinander abzugrenzen.

Zunächst sollten alle Träger- und Leitungsaufgaben systematisch identifiziert werden. Dann geht es an die Zuordnung: Wer übernimmt welche Aufgabe? Wer ist wofür verantwortlich? Das Ergebnis könnte z.B. eine tabellarische Übersicht aller Tätigkeiten und der Verantwortungsbereiche sein, aus der klar hervorgeht, wie die Aufgabenteilung zwischen dem Träger und der Kita aussieht.

Im nächsten Schritt werden die Rahmenbedingungen untersucht: Was wird benötigt, um diese Aufgaben zu erfüllen? Wie viel Zeit ist dafür erforderlich? Pro Woche? Pro Monat? Im Quartal? Welche Informationen und Arbeitshilfen sind nötig?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kommunikation zwischen Träger und Leitung: Wie kommunizieren wir miteinander? Wie stellen wir einen regelmäßigen Informationsaustausch sicher?

Prozesse innerhalb der Kita

Nach der Analyse der Schnittstelle Kita-Leitung und Träger muss die Aufgabenteilung im Team betrachtet werden. Auch hier ist zu klären, welche Tätigkeiten regelmäßig anfallen und wer dafür zuständig ist. Handelt es sich um eine Tätigkeit, die nur die Leitung übernehmen kann? Oder gibt es jemand anderes im Team, der*die dafür geeignet ist? Ist eine Abwesenheitsvertretung sichergestellt, ggf. eine ständige Stellvertretung? Die Leitung übernimmt die Koordination und führt das Team. Es gilt, die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Erzieher*innen sowie der anderen Berufsgruppen im Team zu fördern. Gleichzeitig müssen die Prozesse effektiv gesteuert werden, damit die Arbeitsabläufe für die einzelnen Mitarbeiter*innen gut zu bewältigen sind. Entscheidend ist die Führungskompetenz, denn neben ihrer eigenen Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz sollte die Leitungskraft ebenso in der Lage sein, die Stärken und Schwächen der Teammitglieder zu erkennen und aufeinander abzustimmen. Sie muss Entscheidungen treffen, Ziele vereinbaren, Aufgaben delegieren, die Mitarbeitenden fördern und für ein gutes Betriebsklima sorgen.

Wie ist das alles zu schaffen?

Um allen diesen Aufgaben gerecht zu werden, müssen mindestens diese Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Zwischen Träger und Kita-Leitung müssen die Aufgabenwahrnehmung und -verteilung eindeutig festgelegt und abgestimmt sein.
  • Die Leitungskraft muss gut für ihre Führungsrolle qualifiziert sein. Dafür braucht es zum einen (berufsbegleitende) Weiterbildungen, zum anderen sollte es regelmäßige Beratungen geben. Auch Supervision und Coaching sind hilfreich.
  • Die Leitung benötigt Zeit für ihre vielfältigen Ausgaben und das oft über das gesetzlich geregelte Freistellungskontingent hinaus. Allein der Aufwand an Personalakquise, Personalführung und Personalausfallmanagement ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Wenn dann noch besondere Aufgaben wie beispielsweise eine Baumaßnahme (Erweiterungsbau, Sanierung oder Instandhaltung) anstehen oder eine akute Krise bewältigt werden muss, wird es schnell sehr eng.

Die Gesamtverantwortung für gelingende Prozesse und damit für die Qualität der Bildungs- und Betreuungsarbeit in den Tageseinrichtungen für Kinder liegt bei der Trägerorganisation. Wir empfehlen, sowohl die Aufbauorganisation als auch die Abläufe regelmäßig zu überprüfen, um ggf. erforderliche Anpassungen rechtzeitig in die Wege leiten zu können.

Text: Saskia Strangfeld | Annette Borgstedt

Claudia Langholz

Portrait von Claudia Langholz, Managementberaterin, der contec

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