FALKO.NRW feiert erfolgreichen Projektabschluss

Dienstag, 02 April 2019 13:09

Als sich im Jahre 2015 die Spitzen der vier Ruhr-Universitätskliniken Bergmannsheil, Katholisches Klinikum Bochum, Knappschaftskrankenhaus Langendreer und Marienhospital Herne mit der MedEcon-Geschäftsstelle zur Besprechung der gemeinsamen Projektidee trafen, war die Ausgangssituation diese: Vier Unikliniken in jeweils eigenen Trägerverbünden verfügen über unterschiedliche IT-Systeme und jeweils eigene Strategien und Prozesse bei der Digitalisierung ihrer Häuser. Die Falldatenkommunikation bei Verlegungen und Konsilanfragen erfolgt per Fax, Brief, CD oder Telefon. Lediglich der radiologische Bildaustausch läuft bereits routinemäßig über die Infrastruktur des Westdeutschen Teleradiologieverbundes (TRV).

Also setzten sich die vier Projektkrankenhäuser unter Beteiligung von acht weiteren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft das Ziel, den Datenaustausch zwischen den Häusern zu verbessern. Auf der Basis des TRV sollten nicht mehr allein die radiologischen Bilddaten, sondern alle für den jeweiligen Fall relevanten Dokumente im Senderhaus digital konsolidiert und versendet werden. Im Empfängerhaus sollten die Daten der „fremden“ Systeme so vereinheitlicht empfangen werden können, dass diese für die Weiterbehandlung oder Konsilbearbeitung in der jeweils eigenen IT-Struktur genutzt werden können. contec unterstützte das Projekt maßgeblich bei der intersektoralen Kommunikation, insbesondere in der Koordination und Anforderungsermittlung mit den niedergelassenen Ärzten.

Nach intensiver Konzeptionsphase und drei Jahren öffentlich geförderter Forschung und Entwicklung wurden am 15. Februar 2019 die Projektergebnisse bei der öffentlichen Abschlussveranstaltung vorgestellt.

Krankenhaus-Krankenhaus-Kommunikation

Zwischen den Projektkrankenhäusern konnte auf der Basisinfrastruktur des Teleradiologieverbundes die Zusammenstellung, der Versand und der Empfang kompletter Falldatensets anhand unterschiedlicher Behandlungsszenarien (Unfallchirurgie, Geriatrie, Nephrologie, Kardiochirurgie, Kardiologie,…) umgesetzt werden. Die auszutauschenden Dokumentensets (z.B. Arztbrief, Labor, EKG, Röntgenbilder,…) wurden von den Behandlern definiert. Die technische und semantische Interoperabilität (Benennung der Dokumente, Patienten-ID, …) wurde über die Zusammenarbeit der IT-Leiter mit der Expertise der Projektpartner IHE Deutschland, Hochschule Niederrhein, DMI, RZV und VISUS erreicht. Im Projekt konnten bereits reale Patientenverlegungen mit der neuen Technik unterstützt werden. Für die Verlegung am Montag wurden bspw. bereits am Freitag vorher alle notwendigen Unterlagen elektronisch und vollständig vom verlegenden Haus an die weiterbehandelnde Klinik versandt – ein qualitative Prozessverbesserung, die darüber hinaus auch für die beteiligten Anwender im Krankenhaus Zeit und Nerven spart.

Intersektorale Kommunikation

Für den Dokumentenaustausch zwischen den Kliniken und kooperierenden niedergelassenen Ärzten wurde das Gateway des TRV mit dem Instrument der elektronischen Fallakte (EFA) verknüpft. Über den neu geschaffenen Wandler können nun Falldokumente von den TRV-Krankenhäusern an die EFA der beiden Fallaktenprovider Rechenzentrum Volmarstein (RZV) und HealthCare IT Solutions (HITS) übergeben werden. Umgekehrt erhalten die niedergelassenen Partner die Möglichkeit dem Krankenhaus eigene Zuweisungsdokumente zur Verfügung zu stellen bzw. Dokumente des Krankenhauses nach der Behandlung einzusehen. Über den Virtuellen Case Assistent, der mit den Projektpartnern contec und CompuGroup Medical prototypisch erarbeitet wurde, lassen sich die Dokumente der ambulanten Versorgungseinrichtungen zusätzlich mit weiteren Prozessempfehlungen anwenderfreundlich verwenden.

Upload Portal

Zu den Krankenhäusern und Arztpraxen wurden zwei weitere Kommunikationspartner im Behandlungsverlauf einbezogen – Rehakliniken und die Patienten selbst. Rehakliniken erhalten in aller Regel Patienten von vielen unterschiedlichen Zuweisern mit einem teils sehr großen Einzugsbereich. Nicht alle Zuweiser sind bereits an die Kommunikationsinfrastruktur des TRV angebunden und dennoch ist der frühzeitige und elektronische Erhalt kompletter Falldaten für die Behandlung wichtig. Für diesen Fall wurde ein Upload Portal entwickelt, welches den zuweisenden Krankenhäusern und Praxen den schnellen und sicheren Versand von Vorbefunden für den Weiterbehandler ermöglicht. Ebenso können die Patienten selbst Ihre vorhandenen Daten (gescannte Dokumente, Patienten-CDs) vom eigenen PC aus dem Krankenhaus oder der Reha-Klinik zur Verfügung stellen. Das Web-Portal als Front-End wurde für Einrichtungen entwickelt, die von vielen unterschiedlichen, aber nur sporadisch sendenden Zuweisern oder Patienten Daten erhalten. Da das TRV-Gateway als Back-End dient, ist die professionelle und strukturierte Verwendung der empfangenen Daten für die Krankenhaussysteme für die Anbieter des Portals (die Klinik) gesichert. Der Echtbetrieb bei den ersten Pilotanwendern läuft bereits erfolgreich und kann nun ausgeweitet werden.

Notfallkonsil / Rettungsdienstkommunikation

Das Notfallkonsil wurde mit dem Universitätsklinikum Münster als zentralem Konsilpartner für zahlreiche regionale Krankenhäuser entwickelt. Auch hier stellen die peripheren Kliniken definierte Dokumentensets aus dem eigenen KIS/PACS nutzerfreundlich zusammen und versenden dieses Set gemeinsam mit einer vorkonfigurierten Konsilanfrage über den TRV an den zentralen Konsilgeber. Das Uniklinikum Münster erhält die elektronische Konsilanfrage, der zuständige Behandler eine push-Nachricht. Die Konsilanfrage kann – vorsortiert nach Dringlichkeit per Ampelsystem – direkt beantwortet werden. Die Übernahme der zugesandten Dokumente kann z.B. bei beabsichtigter Übernahme des Notfalls zur Weiterbehandlung oder zur Dokumentation des Konsils direkt in die eigenen Systeme übernommen werden.

Mit dem Bochumer Rettungsdienst wurde die Anbindung der Rettungswagen über die FALKO-Kerninfrastruktur an die aufnehmenden Krankenhäuser erarbeitet. Das erarbeitete Konzept sieht vor, dass das bestehende Notarztprotokollerfassungssystem dahingehend erweitert wird, die elektronisch erfassten Notarztprotokolle ohne Medienbruch direkt digital als PDF per XDM E-Mail an die Notaufnahme des aufnehmenden Krankenhauses zu senden. Dies geschieht direkt aus dem Notarztwagen heraus. Damit liegen wichtige Patienteninformationen noch vor dem Eintreffen des Rettungswagens im aufnehmenden Haus vor.

Der Schlüssel zur Interoperabilität: Standards!

Die größte Herausforderung für eine erfolgreiche Kommunikationsstruktur unterschiedlichster Leistungserbringer bis hin zu den Patienten war und ist die durchgängige Interoperabilität der beteiligten Komponenten. Im Bereich der medizinischen Softwaresysteme setzt sich hier eine herstellerübergreifende Einigung auf IHE-Profile durch (IHE = Integrating the Healthcare Enterprise). IHE definiert die Anwendung bestehender Standards in anwendungsbezogenen Integrationsprofilen. Für das Projekt FALKO.NRW wurden zwei dieser Profile (Portable Date for Imaging, PDI und Cross-Enterprise Document Media Interchange, XDM) kombiniert um die den gemeinsamen Austausch von z.B. Röntgenbildern und Arztbriefen unter Verwendung eines Mediums (z.B. E-Mail) zu ermöglichen. Diese Kombination ist durch zwei Änderungsvorschläge (Correction Proposals) bereits von IHE für die Profiltexte von PDI und XDM übernommen worden.

Die Anwendung des Cross-Enterprise Document Media Interchange (IHE XDM) Profils ermöglicht den Austausch verschiedenster medizinischer Dokumente unter der Verwendung einer definierten Datei- und Verzeichnisstruktur unter Nutzung von E-Mail Diensten. Damit ist das Profil prädestiniert für den Einsatz im FALKO.NRW Projekt, um das Ziel des Austauschs von medizinischen Dokumenten über Einrichtungs- und IT-Systemgrenzen hinweg bis hin zu den Patienten und Ihren Daten auf PC, CD, Stick oder in einer Patientenakte zu realisieren.

Neben technischen Standards zum Datenaustausch spielen auch semantische Standards eine wichtige Rolle, um z.B. Dokumente einrichtungsübergreifend eindeutig bezeichnen und identifizieren zu können. Dafür wurden von IHE Deutschland die sogenannten XDS Value Sets definiert, welche für XDS-basierte IHE-Profile (z.B. XDM) z.B. den Typ von Dokumenten standardisieren. Bereits früh im Projekt wurde sich auf die Verwendung der nationalen XDS Value Sets zur Vereinheitlichung der Semantik über die Systemgrenzen hinweg geeinigt, womit auch im Projekt entstandene Ergebnisse – eine der ersten Anwendungen der Value Sets in realen Problemstellungen – in die im letzten Jahr veröffentlichte Version 2 der Value Sets eingehen konnten.

Die feierliche Abschlussveranstaltung des Projektkonsortiums diente insbesondere zwei Zielen: Zum einen wurden die erarbeiteten Projektergebnisse der Fachöffentlichkeit und dem Fördergeber vorgestellt. Zum anderen leitete die hochkarätige Abschlussdiskussion unter dem Motto „FALKO… und was nun?“ bereits die nächsten Schritte für die Weiterentwicklung und den Roll-out der FALKO-Lösungen ein. Knapp 100 Experten aus Krankenhaus, Wissenschaft und Medizinischer IT-Industrie diskutierten die nun kommenden Schritte der Verstetigung einer „Medizinischen Falldatenkommunikation in interoperablen Netzwerken“. Interessenten für die neuen Lösungen oder Partner zur Weiterentwicklung steht die Projektleitung bei MedEcon Ruhr gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

grundmann@medecon.ruhr

www.falko.nrw; www.medecon.ruhr; www.medecon-telemedizin.de