2. Zukunftsforum Soziale Arbeit: Die Branche muss sichtbarer werden

Zukunftsf
Dienstag, 13 Oktober 2020 10:05

Rund 60 Vertreter*innen aus der Sozialen Arbeit nahmen am 7. und 8. Oktober 2020 im Vienna House Andel’s in Berlin am 2. Zukunftsforum Soziale Arbeit teil, das seit 2019 von contec organisiert wird. Die Veranstaltung bot Raum für fachliche, aber auch werteorientierte Diskussionen rund um die Branchen der Eingliederungs-, Kinder- und Jugendhilfe sowie die Sozialpsychiatrie.

Im Fokus stand die Frage nach der gesellschaftlichen und finanziellen Wertschätzung sozialer Berufe und was die Branche dafür tun kann, sichtbarer zu werden und ihren Platz im Spannungsfeld zwischen den zwei Mandaten (den Kunden und Kundinnen sowie den Auftraggebern) zu finden. Mit dabei als Referent*innen waren unter anderem Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Christine Lohn, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit, Heike Brüning-Tyrell, Leiterin Stabsstelle BTHG beim Landschaftsverband Rheinland und Kerrin Stumpf, Geschäftsführerin des Elternvereins Leben mit Behinderung Hamburg. Einen Impuls zum Nachdenken gab Matthias Grun von der Inhouse Consulting Mercedes-Benz. Die wichtigsten Kernthesen der zwei Tage fassen wir hier in Kürze für Sie zusammen:

  1. Das geringe Selbstbewusstsein der Sozialen Arbeit ist historisch gewachsen. Mit der Gründung des Wohlfahrtsstaats und der staatlichen Finanzierung Sozialer Arbeit entstand der Druck des doppelten Mandats – einerseits den Anforderungen an Effizienz und Wirksamkeit Rechnung zu tragen und andererseits den Bedarfen und Bedürfnissen der Klient*innen zu entsprechen. Innerhalb dieses Spannungsfelds muss Soziale Arbeit sich als Profession positionieren, ein einheitliches professionelles Selbstverständnis inklusive des dritten Mandats erarbeiten, in dem sie für sich selbst einsteht.
  2. Soziale Arbeit muss sichtbarer werden. Der Begriff der Systemrelevanz gibt sozialen Berufen zwar in einer Krise wie der Pandemie die Chance auf mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung, diese können ihr in einer nächsten Krise, beispielsweise einer Finanzkrise, aber schon wieder aberkannt werden. Deshalb muss Soziale Arbeit proaktiv eine sogenannte InWert-Setzung betreiben, sie muss „unverschämt“, also ohne Scham zeigen, was sie tagtäglich leistet und sich darüber eine Lobby erkämpfen, die sich nicht mit dem Ende der Pandemie wieder anderen Dingen zuwendet.
  3. Die Ökonomisierung Sozialer Arbeit ist nicht gleichzusetzen mit der Neoliberalisierung Sozialer Arbeit. Die Devise „Der Markt regelt das schon“ hat in der Sozialen Arbeit schon häufig zu Hindernissen geführt, während ökonomisches Handeln für soziale Unternehmen heute unabdinglich ist, um zu bestehen und für die betreuten Menschen da zu sein.
  4. Wie gut die Soziale Arbeit finanziell ausgestattet ist, hängt stark von der Branche ab, in der sie tätig ist. Mitarbeitende in sozialen Berufen verdienen nicht per se zu wenig Geld. Aber sie verdienen im Vergleich zu anderen Berufen mit ähnlichen Ausbildungsstandards und Verantwortungsgraden weniger und je nach sozialer Branche sind die Gehälter sehr unterschiedlich. Hinzu kommt verhältnismäßig viel Teilzeitbeschäftigung, zum Teil ungewollt und zum Teil, weil die Arbeitsbedingungen eine Vollzeitstelle schwierig machen. Hier gilt es, gemeinsam mit der Politik zu einer einheitlichen und angemessenen finanziellen Wertschätzung zu gelangen.
  5. Der Blick über den Tellerrand – hier die Automobilindustrie – zeigt: Auch traditionsreiche Branchen müssen sich auf Wandel einlassen. Selbstgefälligkeit und die vermeintliche Gewissheit, krisenfest zu sein, verhindern Innovationen. Die Automobilindustrie hat sich zu lange nicht auf den sich unweigerlich vollziehenden Wandel eingelassen und hat jetzt viel aufzuholen. Die Soziale Arbeit sollte sich ihrem unaufhaltbaren Wandel deshalb jetzt aktiv stellen.

Darüber hinaus wurde über die Themen Wirkung und Wirksamkeit von Sozialer Arbeit diskutiert und die Notwendigkeit herausgestellt, Machtverhältnisse im sozialrechtlichen Dreieck zu beobachten. Der Blick über den Tellerrand kann der Sozialen Arbeit helfen, den notwendigen und unausweichlichen kulturellen Change-Prozess aktiv zu gestalten. Dafür braucht es viel Dialog und eine strategische Herangehensweise.

Das 2. Zukunftsforum Soziale Arbeit fand als Präsenzveranstaltung statt, während einige Referent*innen virtuell hinzugeschaltet wurden. Das Zusammentreffen fand unter einem strengen und mit den Behörden in Berlin abgestimmten Hygienekonzept statt.

In unserem Onlinemagazin conZepte werden wir in den kommenden Wochen immer wieder Themen und Vorträge der Veranstaltung inhaltlich für Sie aufbereiten, um das wichtige Thema des Werts Sozialer Arbeit nicht abebben zu lassen. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, abonnieren Sie gern unseren Newsletter!