Social Intrapreneurship – Was bringt eigentlich soziale Innovation?

Nachfolgeplanung contec
Donnerstag, 02 November 2017 14:14

Entrepreneurship kennt jeder. Bei Social Intrapreneurship sieht das schon anders aus. Dabei kann diese Form der sozialen Innovation eine wertvolle Praktik für Unternehmen der Sozialwirtschaft sein. Herr Prof. Dr. Andreas Schröer ist Spezialist für Social Intrapreneurship. Er lehrt Organisationspädagogik an der Universität Trier und setzt sich in diesem Bereich wissenschaftlich mit dem Lernen von, in und zwischen Organisationen auseinander. Seit 15 Jahren beschäftigt er sich vornehmlich mit Non-Profit Organisationen und legt seinen Fokus dabei auf soziales unternehmerisches Handeln und Innovationsförderung. Im Interview erläutert er, welche Chancen Social Intrapreneurship der Sozialwirtschaft bietet und welche ersten Schritte Unternehmen gehen können.

Herr Schröer, ihr Spezialgebiet ist das Social Intrapreneurship, eine Form der sozialen Innovation. Social Entrepreneurship ist ja vielen Akteuren als unternehmerisches Handeln und Denken zum Wohl der Gesellschaft ein Begriff. Wie aber unterscheidet sich das Social Intrapreneurship konkret davon?

Das Entrepreneurship ist ein sehr weit zu fassender Begriff. Zum einen kann es als unternehmerisches Handeln in Gründungsprozessen aufgefasst werden. Zum anderen kann man es aber auch in bereits bestehenden Organisationen vorfinden. An dieser Stelle ist das sog. Intrapreneurship einzuordnen. Wenn dieses wiederum dem Wohle der Gesellschaft dienen soll, dann sprechen wir von Social Intrapreneurship.

Welche Chancen und Vorteile bietet das Social Intrapreneurship den umsetzenden Unternehmen?

Zum einen werden beim Intrapreneurship Startup-Praktiken genutzt. Das kann zur Folge haben, dass neue Geschäftsmodelle entstehen oder man eine Unternehmenskultur entwickelt, in der Gründungsgedanken gefördert werden. Von der entstehenden Kreativität können Unternehmen durchaus profitieren. Zudem hat Social Intrapreneurship Auswirkungen auf die ausführenden Mitarbeitenden. Sie sind möglicherweise eher bereit, kalkulierte Risiken einzugehen und so etwas Neues zu schaffen. Sie entwickeln kreative Ideen und versuchen, ihre Sachen selbst durch- und umzusetzen. Diese Startup-Praktiken und das innovationsorientierte, gründerische Handeln der Mitarbeitenden sind positive Effekte, die in vielen Trägern der Sozialwirtschaft erwünscht sind.

Das hört sich durchaus nach erstrebenswerten Entwicklungen an! Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen denn für die Etablierung von Social Intrapreneurship mitbringen und was für Probleme können dabei auftreten?

Förderliche Bedingungen für innovatives Handeln kennen wir aus der Literatur. Eine Voraussetzung auf kultureller Ebene ist, wie ein Unternehmen mit Scheitern umgeht. Ist es bereit und in der Lage, aus Fehlern zu lernen? Werden auch mal Risiken eingegangen? Darüber hinaus braucht Intrapreneurship Freiräume. Bestes Beispiel ist da Google, die einen Tag pro Woche haben, an dem Mitarbeitende an neuen Projekten, die sie selbst spannend finden, arbeiten dürfen (Innovation Time Off). Natürlich werden für Innovationsprozesse aller Art Ressourcen benötigt. Zeit ist dabei am wichtigsten, aber auch der Raum für wechselseitige Beziehungen ist zentral. Eine elementare Voraussetzung auf kommunikativer Ebene ist, dass es zu Wissensaustauschprozessen von Personen aus unterschiedlichen Bereichen kommt. Diese Diversität von (Fach-) Wissen macht Intrapreneurship aus.

Probleme können sein, dass neue Entwicklungen immer auch ein vom Tagesgeschäft abweichendes Verhalten, eine Form von Devianz, darstellen. Das erzeugt Widerstand, weil gewisse Routinen gestört oder bestehendes Wissen entwertet wird. Eingesetzte Ressourcen werden womöglich angezweifelt, weil es keine Erfolgsgarantie gibt. Mit solchen Widerständen muss gerechnet und produktiv umgegangen werden.

Das klingt so, als wäre das nicht für jedermann so einfach umzusetzen. Welche Kompetenzen muss ein Social Intrapreneur in der Praxis erfüllen? Würden Sie sagen, dass man diese erlernen kann?

Ja, ich bin überzeugt, dass man das erlernen kann. Es gibt ein Feld in der Wissenschaft, das als „Entrepreneurial Learning“ bezeichnet wird und sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Das lässt sich wunderbar auf das Intrapreneurship übertragen.

In Bezug auf die Kompetenzen gibt es große Ähnlichkeiten zum Entrepreneurship: die Menschen müssen Dinge umsetzen können, handlungsorientiert sein und die Bereitschaft mitbringen, kalkulierte Risiken einzugehen. Natürlich muss man auch ein gewisses Maß an Kreativität haben, aber auch Persistenz aufweisen und nicht aufgeben. Es gehört Leidenschaft dazu, andere für seine Ideen zu begeistern und erfordert die Fähigkeit zur Vernetzung. Beim Social Entrepreneurship ist es darüber hinaus wichtig, eine bestimmte Werthaltung an den Tag zu legen und sein Sozialgefühl trotz wirtschaftlicher Notwendigkeiten und Erfolge konsequent zu verfolgen.

Speziell für Intrapreneure sind zwei Voraussetzungen besonders wichtig: Zum einen ist der Erfolg davon abhängig, dass man mit den Widerständen, die einem in einer bestehenden Organisation entgegengesetzt werden, produktiv umgehen kann. Zum anderen ist die Bin-dung an die Organisation elementar. Dieses „Commitment“ sorgt im Unternehmen für die Sicherheit, dass die Intrapreneure das Unternehmen nicht verlassen und sich selbstständig machen, sondern ihre Kreativität für das Unternehmen einsetzen.

Die Grundvoraussetzungen kann also jedes Unternehmen selbst schaffen. Welche konkreten Schritte gilt es danach zu gehen, wenn man Social Intrapreneurship dann im Unternehmen umsetzen will?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Entweder kann man versuchen, ein Organisationsklima zu schaffen, das den bereits genannten Voraussetzungen entspricht. Ich empfehle allerdings, eine gezielte Förderstrategie für Social Intrapreneurship zu entwickeln, um Innovationen von unten zu ermöglichen. Dafür müssen Ressourcen geplant werden. Z.B. die zu nutzenden Räume, ob es möglicherweise ein Innovationslabor gibt oder auch die Zeit, die für Social Intrapreneurship genutzt werden soll. Wichtig ist auch zu überlegen, wer genau dafür in Frage kommt. Welchen motivierten Personen möchte ich die Möglichkeit zu Social Intrapreneurship eröffnen?

Sie haben ja bereits Projekte mit diakonischen Einrichtungen in Form von „Intrapreneurship Laboren“ durchgeführt. Welche Erfolge konnten damit bereits erzielt werden?

Aus dem ersten Labor für diakonisches Unternehmertum der Mission Leben, welches sich zunächst nur an die Mitarbeitenden diakonischer Träger gerichtet hat, entwickelte sich in Darmstadt das Intralab, in dem auch Mitarbeitende anderer Sozialunternehmen arbeiten können. Mit der Universität Trier arbeiten wir momentan gemeinsam mit Sozialunternehmen der Region Trier am UNTIL (Universität Trier Intrapreneurship Lab).

Zwei Erfolge kann man besonders deutlich erkennen. Zum einen sind für die jeweilige Organisation oder die Region neue, soziale Dienstleistungen entwickelt worden. Teilweise hat es auch Anpassungen bestehender Modelle gegeben. Zum anderen haben die Mitarbeitenden deutliche Lernerfolge im Sinne des Entrepreneurial Learnings, also auf der Ebene ihrer unternehmerischen Kompetenzen, erzielt. Dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit, in kurzer Zeit und unter Druck zu präsentieren oder selbst Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auch ihr Selbstverständnis hat sich entwickelt und sie verstehen sich selbst als Unternehmer. Das hat positive Auswirkungen auf ihr Auftreten, auf ihre Art zu kommunizieren und darauf, wie sie Herausforderungen annehmen.
In den Laboren sieht man zudem immer wieder, dass bei der Zusammenarbeit von Leuten aus ganz unterschiedlichen Bereichen eine unglaublich produktive Atmosphäre der Kooperation und des Lernens entsteht.

Welche abschließenden Worte möchten Sie Unternehmern mitgeben, die jetzt darüber nachdenken, Social Intrapreneurship in Ihr Unternehmen zu integrieren?

Die empirische Forschung zeigt, dass die Gründungsbedingungen in bestehenden Sozialunternehmen besser sind als Gründungen „auf der grünen Wiese“. Dieses Potential können Träger in der Sozialwirtschaft durchaus für sich nutzen. Den eigenen Mitarbeitenden die Chance zu geben, unternehmerisch zu arbeiten, kann eine sinnvolle Strategie der Führungskräfteentwicklung sein. Das sind aus meiner Sicht Dinge, über die es sich lohnt nachzudenken und vielleicht in diesen spannenden Prozess einzusteigen.

Herr Schröer, herzlichen Dank für das Gespräch!

Text: Ronja Reinhold