Arbeitsentgelte in WfbM: (Wie) lassen sich die Löhne der Werkstattbeschäftigten steigern?
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) stehen aktuell verstärkt unter Rechtfertigungsdruck. Vor allem die geringen Arbeitsentgelte (Löhne) der Werkstattbeschäftigten stehen häufig im Zentrum der Auseinandersetzung. Doch welche Stellgrößen beeinflussen die Höhe der Arbeitsentgelte in WfbM im Wesentlichen? Und welche davon können die Werkstätten direkt oder indirekt beeinflussen?
In einer Reihe deutscher Werkstätten gab es seit vielen Jahren keine Erhöhung der Arbeitsentgelte. Im Gegenteil haben in den Wirren der Corona-Pandemie manche WfbM die Löhne noch einmal deutlich abgesenkt. Konkret: 2021 lag der durchschnittliche Lohn, ermittelt über alle deutschen Werkstätten hinweg, bei rund 160,- Euro im Monat (ohne Arbeitsförderungsgeld). Und während aktuell in vielen Branchen über teils zweistellige prozentuale Lohnerhöhungen gesprochen wird, dürfte sich an der bedrückenden Situation in vielen Werkstätten kaum etwas ändern.
Die Frage nach Ursachen dieses Dilemmas und möglichen Auswegen beschäftigt mittlerweile glücklicherweise nicht mehr nur die Werkstattbeschäftigten, die Werkstatträger oder sich laut hörbar zu Wort meldende Aktivist*innen. So hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Forschungsvorhaben mit dem Titel „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ in Auftrag gegeben, von dem man sich eine differenzierte Analyse der Ursachen und konkrete Lösungsvorschläge erhofft. Der zweite Zwischenbericht dieser Studie wurde im September 2022 vorgelegt.
Im Zuge dieses Prozesses haben einige Verbände eigene Vorschläge erarbeitet – sehr konkret wurden dabei die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten mit zwei Modellen und die Werkstatträte Deutschland mit dem Vorschlag eines Basisgeldes. Im Mittelpunkt aller diskutierten Vorschläge steht eine massive Steigerung der Subvention der Arbeitsentgelte mit öffentlichen Mitteln. Wenig wird allerdings über eine Steigerung des Beitrages der Werkstätten am Arbeitsentgelt gesprochen. Ganz zu schweigen von der Verantwortung der Leistungsträger in dieser Frage.
Dabei drängen sich wesentliche Fragen auf: Wie kann es sein, dass sich die Höhe der durchschnittlichen Löhne in vergleichbaren WfbM z. T. um den Faktor zwei oder drei voneinander unterscheidet? Warum weichen die zur Festlegung der Arbeitsentgelte verwendeten Entgeltsysteme von Werkstatt zu Werkstatt z. T. fundamental voneinander ab?
Eine bundesweite Angleichung oder gar Vereinheitlichung der Entgeltsysteme lässt sich nur in einem gemeinsamen Kraftakt aller Werkstätten, gefordert von der Politik und gelenkt z. B. von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten unter enger Beteiligung von Werkstatträte Deutschland, erreichen – ein ganz eigenes, herausforderndes Thema.
Welche Stellgrößen aber beeinflussen das Arbeitsergebnis der Werkstatt und damit die Höhe der Arbeitsentgelte? Und welche davon können die Werkstätten direkt oder indirekt beeinflussen?
Arbeitsergebnis und Arbeitsentgelt
§ 12 (3) der Werkstättenverordnung (WVO) schreibt den Werkstätten folgendes ins Stammbuch: „Die Werkstatt muss wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anstreben, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt […] zahlen zu können.“ Im Weiteren (§12 WVO (4)) wird die Ermittlung des Arbeitsergebnisses beschrieben. Es ergibt sich demnach – stark vereinfacht – als Differenz zwischen den Erlösen des laufenden Betriebes im Arbeitsbereich der WfbM und den notwendigen Kosten des Arbeitsbereiches der WfbM (ohne Arbeitsentgelte). Von diesem Arbeitsergebnis – so die weitere Vorgabe des Gesetzgebers – muss die WfbM mindestens 70% als Arbeitsentgelt an die Werkstattbeschäftigten auszahlen.
Bei genauerer Betrachtung dieser Rechnung zeigt sich schnell, dass der Gesetzgeber hier großes Vertrauen in Leistungsträger und Leistungserbringer (WfbM) setzt.
Leistungsträger und Leistungserbringer in der Verantwortung
Der Gesetzgeber geht selbstredend davon aus, dass…
- die für die Erfüllung der Aufgaben und fachlichen Anforderungen der WfbM notwendigen Kosten, sowie die mit der wirtschaftlichen Betätigung zusammenhängenden Kosten – soweit diese aufgrund der besonderen Verhältnisse der WfbM über die in einem Wirtschaftsbetrieb entstehenden Kosten hinausgehen – von den Kostenträgern vollständig über die Leistungsentgelte gedeckt werden.
- die Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der WfbM durch die aus der wirtschaftlichen Tätigkeit heraus erzielten Umsatzerlöse so überdeckt werden, dass sich ein Arbeitsergebnis ergibt, aus dem ein leistungsangemessenes Entgelt sowie die notwendigen Rücklagen finanziert werden können.
- Leistungsträger und Leistungserbringer sich schiedlich-friedlich auf eine Kostenzuordnung einigen, die beide Kostenblöcke eindeutig voneinander abgrenzt.
Das heißt aber auch:
Hält sich einer der beiden verantwortlich handelnden Akteure (Leistungsträger oder WfbM) nicht idealtypisch an die ihm zugeschriebene Rolle, hat dies unmittelbaren und womöglich erheblichen Einfluss auf das Arbeitsergebnis und damit auf die Höhe der Arbeitsentgelte der Beschäftigten.
Welchen Einfluss haben das Management und die Fachkräfte?
Die Realität zeigt, dass das Problem einer geeinten, übergreifenden Kostenzuordnung nach wie vor nicht gelöst werden konnte. Vielmehr verdeutlicht ein Blick auf verschiedene Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen, dass die Vertragsparteien bei der Frage: „Welche Kosten der Werkstatt sind vom Leistungsträger zu refinanzieren?“ zu teilweise sehr unterschiedlichen Antworten kommen. Abhängig vom Ergebnis der auf solch unklarer Basis aufbauenden Vergütungsverhandlungen wird somit das Arbeitsergebnis der jeweiligen WfbM mehr oder weniger stark belastet. Und damit die Höhe der Löhne der Beschäftigten in WfbM direkt beeinflusst.
Aber auch dem Management und den Fachkräften der WfbM kommt eine besondere Verantwortung zu. Sie bestimmen mit Ihrer Kompetenz und Ihrem Handeln unter anderem wesentlich:
- Die Akquise, korrekte Kalkulation und fachgerechte Vorbereitung der Arbeitsaufträge,
- die Wirtschaftlichkeit der Produktions- und Dienstleistungsprozesse in der WfbM,
- die konsequente Transparenz und die verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten,
- die vollumfängliche Berücksichtigung aller über die Leistungsentgelte (Kostensatz) zu finanzierenden Leistungen in der Kostensatzkalkulation,
- und die nachdrückliche Verhandlung kostendeckender Leistungsentgelte mit den Leistungsträgern.
Beiträge der WfbM: Wie können Sie Löhne steigern?
Die Höhe der Arbeitsentgelte ist sicher nicht die alleinig entscheidende Kennzahl, die eine Aussage über die Qualität der Werkstattarbeit zulässt. Aber sie ist doch ein Faktor und rückt stärker denn je in den Fokus der Wahrnehmung. Wenn auch die gewünschte, erhebliche Verbesserung der Einkommenssituation der Werkstattbeschäftigten (Stichwort: Mindestlohn) nur über eine erhebliche zusätzliche Subvention durch öffentliche Mittel erreicht werden kann, so können WfbM doch ebenfalls einen eigenen, spürbaren Beitrag zu einer Steigerung der Löhne leisten.
Unser Tipp: Kostentransparenz etablieren und Produktion optimieren!
Werkstätten sind auf faire Leistungsträger angewiesen, die den ihnen zukommenden Teil der Werkstattkosten tragen. Jedoch können WfbM auch selbst ihren Teil zur Steigerung der Löhne beitragen, z. B. durch:
- An den Bedürfnissen des Marktes orientierte Produkte und Dienstleistungen,
- Vermarktungsinstrumente, die sich an den Bedürfnissen der Kund*innen orientieren,
- eine maximale Kostentransparenz mit Hilfe eines effektiven Controllings,
- verlässliche Kalkulationsgrundlagen,
- optimierte Produktionsprozesse.
Nicht zu vernachlässigen sind zudem eine passgenaue technische Ausstattung in den Werkstätten und vor allem: motivierte und kompetente Fachkräfte. Gern steht Ihnen contec in diesen Fragestellungen zur Seite.
Text: Hans Horn und Leonie HeckenTitelbild: © Jirapong/ Adobe Stock
Birgitta Neumann
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