Marktanalysen in WfbM: Schritt für Schritt zu mehr Klarheit

Mehrere Personen sitzen an einem Tisch und beugen sich über verschiedene Datenblätter und analysieren diese.
Freitag, 25 Juli 2025 11:47

Setzen Sie in Ihrer Werkstatt auf die richtigen Produkte und Dienstleistungen? Haben Sie die strategisch richtigen und wichtigen Aufträge, um auch in einigen Jahren noch erfolgreich zu sein? Bieten Sie Menschen mit Behinderung ein modernes, vielfältiges Tätigkeitsfeld? In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie mithilfe einer fundierten Marktanalyse den eigenen Standort im Wettbewerb bestimmen und vorhandene Potenziale gezielt nutzen.

Der Markt ist in Bewegung: globale Trends, veränderte Nachfragestrukturen und ein steigender Wettbewerbsdruck betreffen nicht nur Wirtschaftsunternehmen. Auch Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) erleben, dass traditionelle Produktbereiche an Relevanz verlieren und sich die Rahmenbedingungen verändern. Gleichzeitig fordern die Beschäftigten – zu Recht – immer deutlicher ihre rechtlich verankerte, selbstbestimmte Teilhabe ein. Wer in dieser Entwicklung mithalten möchte, tut gut daran, sich dem Wandel zu stellen und als WfbM neue Wege zu gehen. Allerdings wissen viele nicht, wo sie ansetzen sollen und welche Produkte bzw. Dienstleistungen echte Entwicklungsperspektiven bieten.

Was bringt eine Marktanalyse?

Eine fundierte Analyse schafft Orientierung. Sie liefert wertvolle Informationen über Zielgruppen, Wettbewerb, Markttendenzen und das Potenzial eines Produkts. Darüber hinaus lassen sich wichtige Erkenntnisse für Vertrieb und Marketing gewinnen. Auf dieser Basis können Sie Ihre strategische Ausrichtung überdenken und sich gezielt auf besonders tragfähige Leistungsbereiche fokussieren.

Die Schritte einer Marktanalyse

1) Erfassung der Ist-Situation und Priorisierung

Am Anfang steht der interne Blick:

  • In welchen Bereichen ist Ihre Werkstatt aktiv? Welche Produkte und Dienstleistungen bieten Sie konkret an?
  • Wie lassen sich diese Leistungen strukturieren und kategorisieren (z. B. nach Zielgruppen, Branchen oder Tätigkeitsfeldern)?
  • Welche Leistungen laufen wirtschaftlich gut? Welche erzeugen einen Mehrwert für die beschäftigten Menschen mit Behinderung?
  • Was sind die Stärken und wo bestehen Schwächen?
  • Welche Angebote haben aus Ihrer Sicht das größte Entwicklungspotenzial?

2) Analyse der Marktattraktivität

Hier richten Sie den Blick nach außen und gehen der Frage nach, ob es sich lohnt, in das ausgewählte Marktsegment zu investieren.

Bewertungskriterien könnten beispielsweise sein:

  • Wie groß ist das Marktsegment aktuell? Wie wird es sich voraussichtlich entwickeln?
  • Welche Zielgruppen (z. B. Industrieunternehmen oder öffentlicher Sektor) gibt es?
  • Wie stabil und planbar ist der Markt (Saisonabhängigkeit, Krisenanfälligkeit, Regulierungen)?
  • Welche Preisspannen und Margen sind realistisch?
  • Welche Anforderungen bestehen an Qualität, Logistik oder Zertifizierungen?
  • Gibt es Qualifizierungsmöglichkeiten für die beschäftigten Menschen mit Behinderung in diesem Segment?
  • Welche Anforderungen müssen die Beschäftigten erfüllen?

Informationen über das Marktsegment finden sich u.a. im Internet oder in Fachzeitschriften. Weitere Quellen sind Branchenverbände, statistische Landes- und Bundesämter oder auch Geschäftsberichte von Unternehmen. Neben einer solchen Sekundärquellen-Recherche können Sie auch direkt auf die Unternehmen und Kund*innen zugehen, mit denen Sie zusammenarbeiten und mit ihnen Interviews oder eine Umfrage durchführen, um valide Daten zu erhalten.

3) Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Werkstatt

Nicht jeder attraktive Markt passt zur eigenen Organisation. Deshalb sollten Sie sich auch mit diesen Fragen befassen:

  • Welche Ressourcen, Kompetenzen und Erfahrungen bringt Ihre Werkstatt mit?
  • Was leisten die Wettbewerber*innen? Welche Akteur*innen sind außerdem wichtig?
  • Haben Sie bereits Kontakte oder Zugang zu relevanten Kund*innen?
  • Lassen sich bestehende Strukturen (z. B. Maschinen, Personal, Zertifizierungen) nutzen?
  • Wie gut passt das Produkt oder die Dienstleistung zum Qualifikationsprofil der Beschäftigten mit Behinderung?
  • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, Folgeaufträge oder langfristige Kooperationen zu erzielen?

4) Validierung der Ergebnisse

Im nächsten Schritt gilt es, die gesammelten Daten strukturiert aufzubereiten und auszuwerten. Bereiten Sie die Ergebnisse so auf, dass sie verständlich und anschlussfähig für interne Diskussionen sind. Beziehen Sie sowohl Fach- und Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen als auch den Werkstattrat ein, identifizieren Sie offene Punkte und entscheiden Sie gemeinsam, ob die eingeschlagene Richtung tragfähig ist.

5) Strategische Neuausrichtung und Spezialisierung

Nutzen Sie die Erkenntnisse der Marktanalyse, um Ihr Angebot gezielt weiterzuentwickeln bzw. anzupassen. Häufig ist keine vollständige Neuausrichtung nötig, vielmehr geht es darum, sich bewusst auf besonders tragfähige Produkt- und Leistungsbereiche zu fokussieren, also eine strategische Teilspezialisierung vorzunehmen:

  • Auf welche Segmente möchten Sie sich künftig konzentrieren?
  • Welche Angebote werden entsprechend ausgebaut?
  • Welche Angebote werden dafür zurückgefahren bzw. fallen zukünftig weg?
  • Welche neuen Produkte oder Dienstleistungen sollen entwickelt werden?

6) Vertriebsprozess und interne Strukturen anpassen

Damit die Erkenntnisse der Marktanalyse umgesetzt werden können, müssen die internen Strukturen und der Vertrieb an die neue Teilspezialisierung angepasst werden. Hier sind klare Rollen, standardisierte Abläufe und eine datenbasierte Steuerung empfehlenswert:

  • Passen Sie Kundenansprache, Vertriebskanäle und Ihr Marketingmaterial an die neue Teilspezialisierung an.
  • Optimieren Sie die internen Abläufe und Systeme – gegebenenfalls ist es sinnvoll, die Rollen im Vertrieb zu trennen (Großkundenbetreuung und Technischer Betrieb)
  • Prüfen Sie, welche Weiterbildungen notwendig sind, um neue Zielgruppen professionell anzusprechen.
  • Definieren Sie klare Prozesse für die neuen Produkte oder Dienstleistungen. Prüfen Sie, ob Maschinen, Anlagen und Werkzeuge für die Umsetzung vorhanden sind.
  • Passen Sie Ihre IT-Strukturen an, um Produktionsplanung und Vertrieb mit geeigneten Tools und Systemen besser zu steuern.

Fazit: Marktanalyse als Motor für Veränderungen

Der Erfolg einer Werkstatt hängt heute mehr denn je davon ab, wie gut sie den Markt versteht. Wer sich am Markt ausrichtet, begibt sich automatisch in den Veränderungsprozess und eröffnet sich neue Chancen.

Werkstätten, die ihre Stärken kennen und gezielt einsetzen, positionieren sich als verlässliche Partner für die Industrie und schaffen zugleich ein attraktives, zeitgemäßes Arbeitsumfeld für Menschen mit Behinderung. Ihre Arbeit wird als Teil des Wirtschaftskreislaufs sichtbar und erhält damit eine neue Wertigkeit.

Marktorientierung ist somit mehr als ein wirtschaftliches Ziel: Sie ist ein starker Hebel für die Inklusion. Auch deshalb, weil der wirtschaftliche Erfolg Freiräume für Investitionen in Qualifizierung, Bildungsangebote und echte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht.

 

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Text: Christiane Gairing | Annette Borgstedt
Bild: © Freepik

Birgitta Neumann

Birgitta Neumann Portrait

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