Erfolgreich Führungskräfte rekrutieren – 3 Fragen an den Experten Jürgen Schmidt
38 Jahre rund um das Personalwesen: Personalberater Jürgen Schmidt hat in seiner Laufbahn zahlreichen Unternehmen zu den gesuchten Führungskräften und zahlreichen Führungskräften zu einer neuen Tätigkeit verholfen. Er war in verschiedenen Branchen tätig, legte aber später seinen Schwerpunkt auf die Sozialwirtschaft. Von 2005 an war er bei der Beratung v. Prittwitz und Gaffron tätig, die sich im März 2020 contec anschloss mit der Idee, Kräfte zu bündeln. Hier war Jürgen Schmidt zuletzt aktiv, bevor er sich Ende Juni 2020 in den Ruhestand verabschiedete. Wir haben mit dem Branchenkenner gesprochen.
Herr Schmidt, nehmen Sie uns einmal kurz mit zu Ihren Anfängen im Recruiting von Führungskräften.
Jürgen Schmidt: Die Arbeit war damals natürlich eine andere als heute, das ist klar. Damals drehte sich erst einmal alles um den enorm großen Anzeigenteil in der FAZ und in anderen großen Zeitungen. Ebenso wie auch die Jobsuchenden sich durch Papierberge kämpfen mussten, galt es auch in der Personalberatung, die Zeitungen zu durchforsten, um dort potenzielle Kunden zu finden.
Die Direktansprache war damals noch neu – der Ansatz kam aus den USA zu uns. Die Herausforderungen, die sich dabei stellten, waren natürlich auch anders als heute. Stellen Sie sich vor, sie müssten ohne Google herausfinden, welche Personen bestimmte Positionen in einem Unternehmen innehaben oder ohne XING, E-Mail und Co auf potenziell für einen Job geeignete Personen zugehen. Da musste man kreativ werden! Um an bestimmte Informationen zu kommen oder mit den gewünschten Personen am Telefon zu sprechen, mussten wir uns oft überzeugende Geschichten ausdenken. Da verwundert es nicht, dass der Prozess einer Besetzung insgesamt sehr viel länger gedauert hat als heute.
Sie haben in Ihrer Laufbahn die Digitalisierung im Recruiting quasi von Beginn an miterlebt. Wie nehmen Sie diesen Wandel wahr?
Angefangen bei Jobbörsen und Business-Netzwerken bis hin zu den Möglichkeiten des Social Media Recruitings ist heute vieles einfacher und schneller geworden. Auch wenn ich die Ebene von Mensch zu Mensch immer am meisten geschätzt habe, bin ich begeistert von den Möglichkeiten, die Social Media Kanäle für das Recruiting bieten. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn mir diese Vielfalt der Kanäle schon viel früher für meine Arbeit zur Verfügung gestanden hätte. Gerade Social Media macht es auch leichter, Menschen zu finden und anzusprechen, die zwar nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber eine gute Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich ihnen zeigt.
Stark verändert hat sich auch das Bewerbungsmanagement. Stellen Sie sich vor, dass wir früher wäschekörbeweise – und das meine ich wörtlich! – Papierbewerbungen mit vierzigseitigen Anhängen öffnen, sortieren und kategorisieren mussten. Allein die digitale Form von Bewerbungen bringt hier schon eine Erleichterung. Die automatisierte Verwaltung von Bewerbungseingängen mit der Möglichkeit, diese quasi auf Knopfdruck auszuwerten, ist dann noch ein weiterer Schritt hin zu mehr Effizienz.
Eine weitere Entwicklung, die ich sehr zu schätzen weiß, ist die mittlerweile etablierte Nutzung eignungsdiagnostischer Verfahren im Recruiting. Vieles von dem, was man früher nur über Menschenkenntnis und Bauchgefühl entschied, kann man so auf eine solide Basis stellen.
Werfen Sie für uns einen Blick nach vorne: Was erwarten Sie für die Sozialwirtschaft?
Als ich damals die Idee hatte, meine Beratung auch in der Sozialwirtschaft zur Verfügung zu stellen, habe ich erstmal ein paar Lacher geerntet. Man ging nämlich davon aus, dass die Branche anders tickt. Da ist auch etwas dran – es bedeutet aber vor allem, dass man neben Expertise im Suchen, Finden und Bewerten auch eine gute Kenntnis der Strukturen und Bedarfe der Branche und ihrer Menschen braucht.
Heute gibt es in der Sozialwirtschaft noch viele Führungskräfte, die mehr analog als digital unterwegs sind. Noch erreicht man daher nicht alle von ihnen über digitale Kanäle. Das wird sich aber natürlich ändern. Die Organisationen der Branche werden zudem immer komplexer und die Anforderungen höher. Was sich aber auch ändert, sind die Ansprüche der heutigen Bewerber*innen. Führungskräfte erwarten mehr, sie wollen in modernen Organisationen arbeiten und legen Wert auf Benefits, auch nicht monetärer Art, und auf Flexibilität. All diesen Entwicklungen muss auch die Arbeit einer Personalberatung Rechnung tragen.
Ich bin davon überzeugt, dass Beziehungsarbeit, das Menschliche also, trotz allem weiterhin eine wichtige Rolle im Führungskräfte-Recruiting spielen wird. Gerade in der Sozialwirtschaft schätze ich das Vertrauen zwischen einem Personalberater bzw. einer Personalberaterin und der auftraggebenden Seite auch für die Zukunft als wichtigen Faktor ein. Das gilt auch, obwohl der Prozess insgesamt bereits digital geprägt ist und noch weiter digitalisiert werden wird – das eine schließt das andere schließlich nicht aus. Je mehr Möglichkeiten der Berater bzw. die Beraterin hat, passende Kandidat*innen zu erreichen und dem Suchenden zu präsentieren, desto erfolgsversprechender ist die Zusammenarbeit.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Schmidt. Für den wohlverdienten Ruhestand wünschen wir Ihnen weiterhin alles Gute!
Interview: Linda Englisch