Innovation in der Sozialen Arbeit: Was steckt eigentlich dahinter?

Frau mit Tablet im Bürokontext - Innovation in der Sozialen Arbeit
Donnerstag, 31 August 2023 12:58

Der Begriff Innovation wird zunehmend inflationär verwendet. Aber wann ist eine neue Idee tatsächlich innovativ? Wie entstehen eigentlich Innovationen und was können sie in sozialen Organisationen bewirken? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in diesem Artikel nach. Mit einer Begriffsdefinition sowie hilfreichen Impulsen und Beispielen ordnen wir den Begriff Innovation im Kontext der Sozialen Arbeit ein.

Die Soziale Arbeit muss sich stets an gesetzliche Änderungen sowie gesellschaftliche Rahmenbedingungen anpassen. Z. B. änderten sich mit dem BTHG gesetzliche Anforderungen an soziale Organisationen und wohnliche sowie soziale Gegebenheiten wandeln sich aufgrund der Wünsche neuer Generationen. Innovationen ermöglichen es der Sozialen Arbeit, auf diese Veränderungen angemessen zu reagieren. Cäcilia Jeggle, Management- und Organisationsberaterin der contec GmbH, spricht über die Potenziale einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit Innovationsprozessen für die Soziale Arbeit:

Portrait von Cäcilia Jeggle, Management- und Organisationsberaterin, der contec

„Innovationen bieten sozialen Organisationen die Chance, eine Anschlussfähigkeit an den Markt und an andere Organisationen zu sichern. Denn sie sorgen für einen stetigen Wandel und Flexibilität innerhalb der Organisation. Außerdem können Innovationen dabei unterstützen, Veränderungen vorausschauend anzugehen und eine nutzer*innenzentrierte Leistungsentwicklung umzusetzen.“

Begriffsdefinition Innovation in der Sozialen Arbeit

Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff der Innovation in der Sozialen Arbeit? Zunächst einmal ist es für eine Begriffsdefinition wichtig, die jeweiligen Kontexte zu berücksichtigen. So hat Innovation in der Sozialen Arbeit eine andere Bedeutung als beispielsweise in der Wirtschaft oder Industrie. Im Bereich der Sozialen Arbeit setzt sich vor allem Prof. Dr. Parpan-Blaser mit dem Begriff Innovation auseinander. Sie definiert Innovationen in diesem Kontext wie folgt:

Innovationen sind neue Konzepte, Verfahren und Organisationsformen, die für die Zielgruppe der Sozialen Arbeit einen Mehrwert darstellen, in intendierten und kooperativen Prozessen entwickelt werden und neues oder neu kombiniertes Wissen als Grundlage haben.

Innovationen können hierbei ganz unterschiedliche Ausprägungen und Auswirkungen haben. So lassen sich z. B. Innovationsarten danach unterscheiden, ob sie sich auf Produkte, Prozesse oder auf Organisationsformen beziehen. Aber auch eine Einordnung in das Vier-Typen-Modell hilft dabei, entsprechende Unterscheidungen vorzunehmen. Dieses Modell differenziert Innovationen nach dem Grad der Neuheit sowie dem Grad der Auswirkung auf den Markt:

Vier-Typen-Modell - Innovation in der Sozialen Arbeit

Innovationsprozesse laufen häufig nach einem ähnlichen Schema ab. So steht Innovationen immer eine Idee voran, aus der sich zum Ende hin im Idealfall eine etablierte und marktfähige Innovation ergibt. Dabei ist die schlussendliche Innovation nur selten identisch zu der ihr zugrunde liegenden Idee. Damit eine Innovation am Markt etabliert werden kann, wird zunächst die Idee überprüft, es werden Prototypen entwickelt, die Innovation wird in der Praxis getestet und kann so letztlich standardisiert werden.

Innovation in der Sozialen Arbeit, eine Prozessbeschreibung: Ideenentwicklung, Exploration, Prototypentwicklung, Transfer & Optimierung, Standardisierung & Skalierung

Innovationsfördernde Faktoren in Einrichtungen der Sozialen Arbeit

Um Innovationen und Veränderungen erfolgreich gestalten zu können, gilt es in der eigenen Organisation ein Bewusstsein für innovationsfördernde Faktoren zu schaffen. Dafür sollte die Führungsebene:

  • Das Engagement, Fachwissen und die Kreativität der Mitarbeitenden fördern,
  • Chancen für individuelle Weiterbildungen bieten,
  • flache Hierarchien, eine visionäre Führungskultur sowie werteorientierte Organisationskultur schaffen
  • und mit der Einrichtung eines Innovationsmanagements notwendige Ressourcen sichern.

Neben diesen einzelnen Maßnahmen schaffen aber auch kontinuierliche Verbesserungsprozesse ein innovationsförderndes Klima. Denn diese sorgen dafür, dass sich Organisationen weiterentwickeln und aktiv Ideen sammeln sowie umsetzen. Zudem können auch Rahmenbedingungen außerhalb der Organisation innovationsfördernd wirken. Die Führungskräfte und Mitarbeitenden einer Organisation sind somit nicht allein dafür verantwortlich, dass Innovationen gut gelingen. Zum Beispiel kann es für soziale Organisationen hilfreich sein, Netzwerke, Innovationssysteme, Trendanalysen und Rückmeldungen von Kund*innen in Innovationsprozesse einzubeziehen. Und zuletzt nimmt auch die politische Ebene aktiv Einfluss darauf, wie gut Innovationen umgesetzt werden – u. a. in Form von Verbänden und Initiativen, aber auch durch Förderungen und Ausschreibungen mit dem Ziel, Innovationsprozesse zu unterstützen.

Checkliste mit innovationsfördernden Faktoren - Innovation in der Sozialen Arbeit

Trotz einiger Vorteile und innovationsfördernder Faktoren sind Innovationen in der sozialen Arbeit auch mit Herausforderungen verbunden:

  • Knapp kalkulierte Refinanzierungen und Budgets können die Risikobereitschaft einschränken.
  • Da die Leistungen in Koproduktion erbracht werden, steht die Ergebnisqualität immer auch in Abhängigkeit zu den Nutzer*innen.
  • Die normativen Handlungslogiken der Sozialen Arbeit, orientiert an Menschenrechten sowie den Grundlagen des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit e. V. (DBSH), bringen spezielle Anforderungen mit sich.

Innovationsnetzwerk Eingliederungshilfe.digital (INNET)

Mit folgender Aussage fasst Denise Beuthner, Innovations- und Organisationsberaterin der contec GmbH, die zentralen Voraussetzungen für Innovation in der Sozialen Arbeit zusammen:

Portrait von Denise Beuthner, Innovations- und Organisationsberaterin, der contec

„Im Kontext der Sozialen Arbeit geht es darum, durch Innovationen eine zeitgemäße, personenzentrierte Leistungserbringung zu gewährleisten. Dafür gilt es, mit vorhandenen Ressourcen und unter Einsatz geeigneter Methoden einen Raum für Wissen, Vernetzung und innovative Ideen zu schaffen.“

Wie kann es also konkret aussehen, wenn Innovationen in sozialen Organisationen Einzug halten? Im Rahmen des Innovationsnetzwerks Eingliederungshilfe.digital (INNET) schließen sich Leistungserbringer aus ganz Deutschland ebenso wie digital Affine, sozial Engagierte und Menschen mit Behinderungen mit einem Ziel zusammen: digitale Innovationen in der Eingliederungshilfe voranzutreiben. Das Netzwerk bietet die Möglichkeit, Ressourcen zu bündeln, Ideen zu entwickeln und damit neues Wissen zu schaffen. Deshalb bietet das INNET einen guten Ausgangspunkt für Innovationen in der Sozialen Arbeit.

Das Format der sogenannten Lösungs-Sprints stellt einen Rahmen für die partizipative Ideen- sowie Prototypenentwicklung. Gemeinsam blicken Leistungserbringer, verschiedene Expert*innen und Menschen mit Behinderungen in Online-Workshops auf einen bestimmten Problembereich, um digitale Lösungen für diesen Bereich zu entwickeln. Im ersten Lösungs-Sprint z. B. berichteten Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen über ihren Arbeitsalltag in den Werkstätten und Problemen, die sie dort wahrnehmen. Nach einer aktiven Auseinandersetzung mit den Problembereichen und deren Expert*innen wurden dann verschiedene Ideen reflektiert und gebündelt: In diesem Fall waren zwei App-Ideen, die Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu einem selbstbestimmten Arbeitsalltag verhelfen sollen, das Ergebnis. Diese Ideen eignen sich zur Entwicklung und Erprobung von Prototypen, die im Laufe eines Innovationsprozesses in den Einrichtungen zu marktfähigen Innovationen werden können.

Der Lösungs-Sprint zeigt also einen beginnenden Innovationsprozess auf und begleitet diesen. So können die Mitglieder des INNET, aber auch externe Interessierte, im Anschluss daran einsteigen und den Prozess weiterführen. Und auch ohne marktfähiges Ergebnis bieten die Lösungs-Sprints entscheidende Vorteile: Sie bringen verschiedene Perspektiven zusammen, um basierend auf den identifizierten Problembereichen abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln. Vor allem die Partizipation späterer Nutzer*innen sichert zudem den Mehrwert einer späteren Innovation.

💡Innovationsprozesse gestalten

Bei der Umsetzung von Innovationen profitieren soziale Organisationen von transparenten Prozessen auf allen Ebenen. Denn es kann die Akzeptanz gegenüber Innovationen stärken, wenn Mitarbeiter*innen sowie Nutzer*innen sich der Ziele und Synergiewirkungen von Innovationen in der eigenen Organisation bewusst sind. Und auch ein gemeinsames Verständnis über den Nutzen einer Neuerung sowie ein gemeinsames Wertesystem können die Akzeptanz steigern und damit Widerstände innerhalb der Organisation abbauen.

Innovationsprozesse sollten also in sozialen Organisationen aktiv angegangen werden. Für den Erfolg von Innovationen entscheidend sind u. a. ein gemeinsames Verständnis über die Bedeutung von Innovation in der Sozialen Arbeit, die Akzeptanz der Nutzer*innen sowie ein erkennbarer Nutzen. Neben dem entsprechenden Fachwissen zur Branche und deren Besonderheiten vereint contec ebenfalls innovative Methodenkompetenzen. Gerne begleiten wir Sie deshalb bei Ihren Innovationsvorhaben.

Redaktion: Leonie Hecken
© AdobeStock/NanSan

Cäcilia Jeggle

Portrait von Cäcilia Jeggle, Management- und Organisationsberaterin, der contec

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