

Ein selbstbestimmtes Leben führen, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können, Benachteiligungen entgegenwirken − das sind die zentralen Ziele des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Das darin verankerte Recht auf personenzentrierte Leistungen verändert das Leistungssystem, die Leistungserbringung und die Finanzierung in der Eingliederungshilfe nachhaltig. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie der erforderliche Qualifikationsmix und die benötigte Anzahl der Mitarbeiter*innen in den verschiedenen Wohnformen ermittelt werden können, um eine solide Grundlage für die Leistungskalkulation zu schaffen.
Mit dem neuen SGB IX rücken die Begriffe Teilhabe und Selbstbestimmung ins Zentrum der Eingliederungshilfe. Ein erster bedeutender Schritt in diese Richtung war die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Leistungen der Eingliederungshilfe im Januar 2020, so dass die Eingliederungshilfe nun ausschließlich die Fachleistungen umfasst.
Im Mittelpunkt der Leistungsgestaltung steht der Mensch mit seinen Vorstellungen, Wünschen und Bedarfen. Ziel ist es, eine individuelle, selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen, die die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördert. Eine zentrale Bedeutung kommt hierbei den Assistenzleistungen zu, die im SGB IX neu strukturiert, teilweise konkretisiert und als eigener Leistungstatbestand in den gesetzlichen Leistungskatalog zur sozialen Teilhabe aufgenommen wurden.
Gemäß Paragraf 78 Abs. 1 Satz 2 SGB IX umfassen sie insbesondere
die allgemeine Erledigung des Alltags, wie
und beinhalten auch die Verständigung mit der Umwelt. Um den unterschiedlichen Anforderungen an eine fach- und sachgerechte Unterstützung gerecht zu werden, unterscheidet das Gesetz zwei verschiedene Formen von Assistenzleistungen:
Ein weiterer wichtiger Punkt des Gesetzestextes ist die zukünftige Ausgestaltung der Leistungen. Der Leistungsberechtigte selbst entscheidet nun über die konkrete Gestaltung der Leistung hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt, d. h. ähnlich wie im früheren ambulanten Setting sollten feste Zeiten für die wöchentlichen individuellen Fachleistungen („Fachleistungsstunden“) vereinbart werden. Art, Umfang und Dauer der Assistenzleistungen werden für jede*n Leistungsberechtigte*n im Leistungsbescheid durch den zuständigen Leistungsträger festgelegt.
In den Landesrahmenverträgen werden die Vorgaben des SGB IX zu den Assistenzleistungen weiter konkretisiert und eine Leistungssystematik beschrieben / vorgegeben.
Die Verfahren variieren jedoch in den Bundesländern. Insbesondere die Leistungssystematik in den besonderen Wohnformen unterliegt unterschiedlichen Vorgaben und reicht von der Zahlung einer Tagespauschale, die von den Leistungserbringern in individuell dokumentierte Leistungen übersetzt werden muss, bis hin zu zeitbasierten Assistenzleistungen (vergleichbar mit den Fachleistungsstunden im ehemals ambulanten Setting).
In mehreren Bundesländern wird eine Kombination präferiert, die einerseits eine Tagespauschale beinhaltet, aus der sich die sogenannten Vorhalteleistungen wie Präsenzdienst, Rufbereitschaft, Nachtdienst oder Hauswirtschaft speisen, und andererseits individuelle Leistungen nach dem oben bereits erwähnten „Leistungskatalog“ als zeitbasierte Fachleistung gewährt.
Ein solches personenzentriertes und teilhabeorientiertes Leistungskonzept bedeutet vor allem für die besonderen Wohnformen einen Paradigmenwechsel. War hier in den letzten Jahrzehnten die Maßnahmenpauschale der Standard, auf deren Basis ermittelt wurde, wieviel Personal eingesetzt und im Dienstplan dargestellt werden konnte, sollte nun die Ableitung der persönlichen Assistenz im Vordergrund stehen. Sowohl für die Leistungsträger als auch die Leistungserbringer gehen damit nicht nur erhebliche Herausforderungen bei der Organisation der Leistungserbringung einher, sondern auch mit völlig neuen Überlegungen zur Personalbemessung.
Wir empfehlen ein mehrschrittiges Verfahren, in dessen Mittelpunkt die statistische Methode der qualifizierten Expertenschätzung steht. Alternativ könnte auch die tatsächliche Messung per vorgenommener Leistung pro Bewohner*in erfolgen. Dies ist jedoch sehr aufwändig und anders als bei der Rothgang-Studie in der Pflege im Bereich der Eingliederungshilfe nicht mit bundeseinheitlichen Verrichtungen hinterlegt.
Mit dem BTHG und der Änderung des SGB IX wurde der Grundstein für eine zeitgemäße Assistenz und passende Angebote gelegt. Dies hat vor allem in den besonderen Wohnformen weitreichende Folgen für die Bemessung des erforderlichen Personals und somit auch auf die Vergütung der Leistungserbringer. Zwar fehlen in einigen Bundesländern noch klare Vorgaben und Rahmenbedingungen für die Leistungs- und Vergütungsverhandlungen, dennoch sollten Leistungserbringer dringend die erforderliche Personalausstattung prüfen: Welche Assistenzleistungen werden benötigt? Welche Qualifikationen sind erforderlich? Wie muss die Personalbemessung erfolgen, damit sie anerkannt wird? Auch für Leistungsträger ist es vorteilhaft sich gemeinsam mit den Leistungserbringern auf eine nachvollziehbare Personalableitung zu verständigen.
Unter Umständen ist es dann für beide Seiten nachvollziehbar, bereits jetzt in Einzelverhandlungen einzutreten. Wer das noch nicht angehen will, sollte sich dennoch mit dem Thema Personalbemessung befassen, um möglichst gut vorbereitet und professionell in die Verhandlungen einzusteigen, wann immer die Leistungsträger dazu auffordern.
Text: Judith Hoffmann | Annette Borgstedt
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