Prozesse in der Pflege – So optimieren Sie Ihre Arbeitsabläufe

Prozesse Pflege
Montag, 01 August 2022 10:12

Prozesse sind nicht bloß Theorie, sondern können in der Praxis maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen – wenn sie strategisch ausgerichtet, vorab festgelegt und gegenüber den Mitarbeitenden ausreichend kommuniziert werden. Lesen Sie in diesem Beitrag, warum es sich lohnt, einen Blick auf die Prozessgestaltung im eigenen Unternehmen zu werfen und was Sie für eine erfolgreiche Prozessimplementierung brauchen.  

Was sind Prozesse?

Ein Prozess ist die Gesamtheit mehrerer einzelner Vorgänge, die aufeinander einwirken und so zu einem bestimmten Ergebnis führen. Dabei hängt die Gestaltung des Prozesses vom erwünschten Ergebnis ab. Sie sollten sich daher zunächst fragen: Was wollen Sie mit Ihrem Prozess bewirken? Definieren Sie Ihr Ziel und leiten Sie daraus Maßnahmen ab, die zur Erfüllung der Aufgabe nötig sind. Prozesse sind aber keinesfalls starre Rezepturen: Im Rahmen der Prozessevaluierung werden die einzelnen Vorgänge immer wieder an neue Bedingungen angepasst und so dynamisch weiterentwickelt. Ist ein Prozess abgeschlossen, können Sie anhand des Ergebnisses seinen Erfolg messen.

Modelle des Pflegeprozesses

Der Pflegeprozess ist eine systematische Arbeitsmethode zur Erfassung, Planung, Durchführung und Evaluierung pflegerischer Tätigkeiten. Zur Gestaltung pflegerischer Prozesse können Organisationen u. a. auf die folgenden drei in der Praxis vorherrschenden Modelle zurückgreifen:

  • das Vier-Stufen-Modell von Yura und Walsh (1967) umfasst die Stufen Assessment, Planung, Intervention und Evaluation
  • das Fünf-Stufen-Modell von Gordon (1994) umfasst die Stufen Assessment, Diagnose, Planung, Intervention und Evaluation
  • das Sechs-Stufen-Modell von Fiechter und Meier (1981) umfasst die Stufen Informationssammlung, Erkennen von Problemen und Ressourcen, Festlegung der Pflegeziele, Planung der Pflegemaßnahmen, Durchführung der Maßnahmen, Beurteilung der durchgeführten Pflege

Warum sind Prozesse wichtig?

Der Pflegeprozess ist eine Leitlinie, an der sich Pflegende in der täglichen Arbeit orientieren können, um ihr fachliches und praktisches Know-how zielorientiert einzusetzen. Auch wenn Abläufe regelmäßig evaluiert und auf neue Gegebenheiten angepasst werden sollten, bleibt der Prozess als äußerer Rahmen bestehen. So können alltägliche Arbeitsweisen langfristig standardisiert und optimiert werden. Das wiederum führt dazu, dass

  • Effizienz und Effektivität der Arbeit steigen,
  • die Qualität der Pflege verbessert wird,
  • das Wohlergehen der Pflegebedürftigen wächst und
  • der Arbeitsalltag von Pflegenden entlastet wird.

Darüber hinaus erleichtern festgelegte Prozesse die Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden: Wenn Aufgaben, Verantwortungen und Vorgehen in den Teams klar definiert sind, dann können auch neue Teamkolleg*innen strukturiert in die Arbeitsweisen in der Einrichtung eingeführt werden. Werden Prozesse darüber hinaus schriftlich festgehalten und für alle Kolleg*innen zugänglich aufbewahrt, können Mitarbeitende bei Unsicherheiten auf diese Dokumente zurückgreifen.

Prozesse partizipativ gestalten

Wenn Prozesse evaluiert, optimiert und neugestaltet werden, sollte es Personen geben, die die Verantwortung dafür übernehmen. Das Pflegeprozessmanagement 2.0 (PPM 2.0) empfiehlt den Einsatz von Pflegeprozessmanager*innen, die mindestens über eine pflegefachliche Qualifikation verfügen und sich in Prozesse hineindenken können. Dennoch sollten Sie für ein agiles Prozessmanagement unbedingt alle Mitarbeitenden einbeziehen: Vom Qualitätsmanager über die Pflegefachkraft bis hin zu den Assistenz- und Pflegehilfskräften – jede*r leistet seinen Beitrag dazu, dass Prozesse funktionieren.

Tipp: Verteilen Sie Aufgaben und Verantwortungen in Ihren Teams: Auch eine Pflegehilfskraft ohne pflegefachliche Qualifikation kann im Rahmen des Prozesses Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen, beispielsweise das regelmäßige Desinfizieren und Aufräumen des Medizinschranks.

Warum werden Prozesse häufig nicht gelebt?

Oftmals werden Prozesse ausgearbeitet, aber geraten langfristig in Vergessenheit. Das kann viele Gründe haben:

  • wachsende Fluktuation von Pflege- und Leitungskräften: Mit den Personen gehen oft auch verankerte Prozesse
  • Kommunikationsdefizite: Neue Prozesse werden von „oben“ aufgesetzt, aber nicht von allen Mitarbeitenden verstanden oder sie stehen nicht dahinter
  • Prozessveränderungen werden nicht verschriftlicht: (Neuen) Mitarbeitenden fehlt die Möglichkeit, Prozesse nachzulesen
  • Gesamtveränderungen in der Pflege und Fachkräftemangel: Unternehmen verfügen nicht über die notwendigen Ressourcen, um Prozesse schriftlich aufzusetzen, regelmäßig zu evaluieren und in der Praxis umzusetzen

Prozesse optimieren und evaluieren

Die dauerhafte Umsetzung von Prozessen im Alltag scheitert häufig auch daran, dass Organisationen die Prozesse nicht regelmäßig evaluieren. Schärfen Sie daher das Bewusstsein für Prozesse bei Ihren Führungskräften und führen Sie ein Controlling-System für Prozessoptimierungen ein: Einrichtungsleitungen sollten beispielsweise regelmäßige Controlling-Gespräche mit den Mitarbeitenden aller betroffenen Bereiche führen. Hier spielen nicht nur wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, im Austausch mit Pflegedienst- und Wohnbereichsleitungen sollten auch immer die Qualität der Pflege und das Wohlbefinden der Bewohner*innen im Fokus stehen.

Bedenken Sie: Von einem Prozess in der Pflege ist meist nicht nur die Pflege betroffen. Identifizieren Sie daher Schnittstellen zu anderen Bereichen wie z. B. der Hauswirtschaft oder der Verwaltung, um Prozesse umfassend zu implementieren.

Aber auch der unverstellte Blick von außen ist wichtig: Ein zentrales Qualitätsmanagement oder ein Qualitätszirkel hat die Möglichkeit, als „externe“ Instanz im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Audits Prozesse zu betrachten und zu hinterfragen.

Pflegesoftware implementieren – so sieht ein gelungener Prozess aus

Auch für die Digitalisierung in Pflegeeinrichtungen spielen Prozesse eine wichtige Rolle, denn: Damit neue digitale Anwendungen sinnvoll genutzt werden, sollte unbedingt gleichzeitig ein entsprechender Prozess in der Organisation hinterlegt werden – dieser beginnt schon bei der Entscheidung für oder gegen ein digitales Tool. Am Beispiel der Implementierung einer Pflegesoftware zeigen wir Ihnen, was es zu beachten gilt.

  • 1. Analyse der analogen Dokumentation: Welche Herausforderungen gibt es, die bisher nicht prozessual abgebildet sind? Welche (alltäglichen) Aufgaben können mit der Einführung der Pflegesoftware gezielt erleichtert werden?
  • 2. Zeitpläne und Meilensteine festlegen: Was wird wann mit wem gemacht? Ein koordinierter Zeitplan erleichtert und fördert die Implementierung.
  • 3. Schulungen in kleinen Gruppen durchführen: Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden in kleinen Gruppen in der Benutzung der neuen Software. Übergeben Sie in diesem Rahmen auch unmittelbar Aufgaben und Verantwortungen.

Tipp: Suchen Sie sich zunächst eine Gruppe, die technikaffin ist und großes Interesse an der neuen Anwendung zeigt. Beziehen Sie dann nach und nach neue Gruppen von Mitarbeitenden in die Schulungen ein, bis zum Schluss alle mit der neuen Software vertraut sind und wissen, welche Aufgaben sie übernehmen sollen.

  • 4. Patenschaften festlegen: Wer kann Personen an die Hand nehmen, die noch nie mit einer Pflegesoftware gearbeitet haben oder Probleme mit der Anwendung haben? Legen Sie Personen fest, die helfen können, sodass niemand im Team ausgeschlossen wird.

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Der erste Schritt zur Prozessoptimierung

Sie wollen sofort mit der Prozessoptimierung starten? Dann kommen Sie mit Ihren Mitarbeitenden ins Gespräch. Stellen Sie konkrete Fragen zu den etablierten Prozessen in Ihrer Einrichtung, z. B.: Nach welchem Modell wird in der Einrichtung gearbeitet? Sind alle Kolleg*innen darüber ausreichend informiert? Sind diese Prozesse verschriftlicht und somit gut zugänglich für alle Pflegenden? Sprechen Sie zunächst einzeln mit den Mitarbeitenden und gehen Sie danach in den Austausch mit den Teams, um Unstimmigkeiten und Herausforderungen zu klären: Arbeiten alle nach denselben Prozessen? Was sind die Prozesse, die uns in unserer Arbeit stören? Wichtig: Beziehen Sie von Beginn an alle Mitarbeitenden in Ihre Pläne und das Verfahren ein!

 

Podcast-Tipp zum Thema: Diana Herrmann, Organisationsberaterin der contec und Expertin für Prozessmanagement in der Pflege, spricht im Podcast Pflegefaktisch über die Bedeutung von Prozessen und verrät, wie man diese erfolgreiche analysiert, evaluiert und implementiert. Hören Sie jetzt rein! ?

Text: Diana Herrmann/ Katharina Ommerborn
© Africa Studio/ Adobe Stock

Diana Herrmann

Portrait von Diana Herrmann, Management- und Organisationsberaterin, der contec

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