Verwaltung optimieren: Ein Best Practice für reibungslose Prozesse in der Eingliederungshilfe

Verwaltung optimieren
Donnerstag, 21 Januar 2021 17:25

Die Paritätische Lebenshilfe Schaumburg-Weserbergland hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Fusionsprozess hinter sich gebracht. Was häufig bei solchen umfangreichen Zusammenschlüssen zu wenig Beachtung findet, ist die Anpassung der Verwaltung an die neuen Rahmenbedingungen. contec durfte den Träger bei den „Aufräumarbeiten“ in seinem Kaufmännischen Geschäftsbereich unterstützen. Wir haben mit Geschäftsführerin Annette Lüneburg über die Mammut-Aufgabe gesprochen, eine Verwaltung zu optimieren.

Zusammenschlüsse erfordern „Aufräumarbeiten“ in der Verwaltung

2011 haben die PLSW, die ursprünglich ein reiner Werkstattträger war, und die Lebenshilfe Stadthagen fusioniert. 2015 wurde dann auch die Lebenshilfe Hameln-Pyrmont Teil des Verbunds. So entstand innerhalb weniger Jahre ein sehr komplexer Träger, der Angebote in allen Bereichen der Eingliederungshilfe vorhält. „Bei diesen diversen Zusammenschlüssen wurden auch alle Mitarbeitenden übernommen, auch die aus der Verwaltung. Es kamen also Mitarbeitende zusammen, die jeweils das Selbstverständnis hatten, eine relativ überschaubare Organisation zu führen, in gewachsenen Strukturen, die – wenn man mal ehrlich ist – in Non-Profit-Organisationen manchmal auch um bestimmte Personen und deren Vorlieben und Fähigkeiten herum aufgebaut werden. Die Sachdienlichkeit wird manchmal hintenangestellt und das fällt bei einem so großen Zusammenschluss dann schnell auf“, berichtet Annette Lüneburg, Geschäftsführerin der PLSW. Bereits 2016, kurz nach der Fusion, legten die Gesellschafter der damaligen Geschäftsführung nahe, sich externe Unterstützung für die Anpassungen im Kaufmännischen Bereich zu organisieren. Der Zusammenschluss hatte dazu geführt, dass unterschiedliche Software genutzt wurde, Schnittstellenmanagement auf der Strecke blieb und die Auslastung ungleich verteilt war. „Ziel musste es sein, dass die Verwaltung ihren eigentlichen Zweck erfüllen konnte: So gut koordiniert zu sein, dass es dem operativen Geschäft dienlich ist. Verwaltung ist ja kein Selbstzweck“, so Lüneburg. So wurde in einem ersten Projekt 2016 mit drei Beratern der contec eine Analyse des Kaufmännischen Bereichs vorgenommen und etwa 40 Seiten Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen verfasst.

„Gold wert“ – Ampel-Analyse zeigt Handlungsbedarfe

„Als ich dann Anfang 2020 die Geschäftsführung übernommen habe, wurde mir von Gesellschafterebene erzählt, dass es diese Handlungsempfehlungen gibt – diese wurden aber bis dato nicht in die Praxis übersetzt“, erinnert sich Annette Lüneburg. Für ihren Einstieg als neue Führungskraft war diese Analyse eine hervorragende Möglichkeit, den Kaufmännischen Bereich kennenzulernen. „Überrascht war ich aber doch, dass die Abteilungsleitungen des Kaufmännischen Geschäftsbereiches diese noch nicht zu Gesicht bekommen hatten.“ Kaum hatte Annette Lüneburg den Ball ins Rollen gebracht, waren sofort alle Mitarbeitenden an Bord. Nichtsdestotrotz hatte die neue Geschäftsführerin alle Hände voll zu tun, sich in das Unternehmen, dessen Strukturen und Bereiche einzuarbeiten und die Menschen kennenzulernen, die dort arbeiten. Deshalb beauftragte sie erneut die contec, zu überprüfen, welche Aspekte der Handlungsempfehlungen seit 2016 umgesetzt wurden und wo weiterhin Handlungsbedarf besteht. „Eva-Maria Hoff von der contec, die inzwischen das Projekt übernommen hatte, hat mir dann für die Gesellschafterversammlung etwas Geniales erstellt: Den Umsetzungsstand mit einer Ampel-Darstellung übersichtlich und nach einzelnen Handlungsbereichen aufbereitet. So wurde auf den ersten Blick deutlich, was gut läuft, was ausgebaut werden muss und wo noch gar nichts passiert ist. Das ist nicht nur als Präsentationsform geeignet, sondern erleichtert auch den Umsetzungsprozess massiv“, so Lüneburg. „Gemeinsam mit den Leitungskräften des Kaufmännischen Geschäftsbereiches habe ich schnell festgestellt, dass eine SWOT-Analyse, wie wir sie in den operativen Bereichen aufgrund der Änderungen durch das BTHG vorgenommen haben, im Kaufmännischen Geschäftsbereich nicht in Gänze sinnvoll ist – denn die Chancen und Risiken der Verwaltung sind gleich mit denen des operativen Bereichs, die „verdienen“ ja sozusagen das Geld. Wir haben also das Ampelsystem als Grundlage für die Formulierung von Unternehmenszielen genutzt und bis Ende 2020 konnten wir erste Erfolge bei der Erreichung der Ziele vorweisen.“

Verwaltung optimieren: Berichtswesen „völlig umgekrempelt“

Besonders viel Wert legte Annette Lüneburg auf ein einheitliches, möglichst automatisiertes und übersichtliches Berichtswesen für die Geschäftsführung. „Das war eine schweißtreibende Leistung des Bereichs Controlling. Anfang des Jahres hatte uns der Kaufmännische Leiter verlassen und kurze Zeit später der Leiter Finanz- und Rechnungswesen. Was erst schien wie eine Katastrophe, war dem Change-Prozess sogar zuträglich, weil es keine Befindlichkeiten gegenüber den notwendigen Veränderungen gab“, so die Geschäftsführerin. So hat der Bereich Controlling, der zu Beginn des Projekts erst bei einem Umsetzungsstand von 20 Prozent der Handlungsempfehlungen war, stark aufholen können. Das Berichtswesen ist jetzt fernab von unverständlichen Tabellen, die das System ausspuckt, aber auch keine händisch überführte Excel-Tabelle, die fehleranfällig ist. „Frau Hoff hat mit meinem Team eine Variante dazwischen erarbeitet, die zwar direkt aus dem System kommt und damit keine Fehleranfälligkeit hat, die Daten aber so clustert, dass ich das ganze Unternehmen auf einen Blick in Zahlen erfassen kann. Bei einem vollen Terminkalender wie wir ihn alle haben, ist das wunderbar, da kann ich Abweichungen sofort erkennen.“ Die Geschäftsführerin nutzt dieses Berichtswesen auch für die nachfolgenden Führungsebenen. „Die Führungskräfte sollen ja selbst ihre Budgets überblicken können.

Softwares, Forderungsmanagement, Personalcontrolling

Durch die vielen Fusionen hatte der Träger eine bunte Landschaft an Software für unterschiedliche Zwecke. Schnell fiel auf, dass hier die technischen Schnittstellen fehlen, was zu einem deutlichen Mehraufwand geführt hat. „Eine Mitarbeiterin war einen ganzen Arbeitstag im Monat damit beschäftigt, digitale Rechnungen des Telefonanbieters herunterzuladen und den einzelnen Kostenstellen zuzuordnen. Was da an Zeit reingeflossen ist für etwas, das sich relativ leicht automatisieren ließ, ist unglaublich“, so Annette Lüneburg. Das Projekt gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Organisation habe ihr überhaupt erst ermöglicht, im Detail solche Ineffizienzen zu entdecken, so die Geschäftsführerin: „Andernfalls wäre mir das wohl erst nach Jahren aufgefallen. Es lohnt sich wirklich immer, einmal genau hinzusehen.“ So hat der Träger in Zusammenarbeit mit der contec nach und nach die Software-Landschaft angepasst und arbeitet jetzt nur noch mit den nötigsten und so, dass es überall die entsprechenden Schnittstellen gibt.

Eine weitere Baustelle – nicht zuletzt durch das BTHG und die Leistungstrennung wichtig – war das Forderungsmanagement. Durch die neue Struktur in der Eingliederungshilfe gibt es deutlich mehr Rechnungsempfänger als bisher. Dieses neue Forderungsmanagement, das zum Teil von einer Komplexleistung mit Pauschalbetrag auf drei Einzelrechnungen umgestellt werden musste, hat Eva-Maria Hoff mit den Mitarbeitenden des Finanz- und Rechnungswesens auf den Weg gebracht.

Weitere Unterstützung erhielt die PLSW in puncto Personalcontrolling. „Da gab es enorme Rückstände im Personalbereich und zahlreiche Überstunden, die angefallen sind – auch deshalb, weil es niemand überprüft hat. Das machen wir jetzt systematisch. Zahlen, Daten, Fakten helfen mir als Führungskraft, zu handeln, wenn ich sie richtig analysiere. Da darf man sich nichts vormachen: Dort, wo der Krankenstand hoch ist, wo es viele Überstunden gibt oder eine hohe Mitarbeiterfluktuation, da ist was im Argen. Da muss ich noch nicht mal vor Ort gewesen sein, die Kennzahlen sind Alarmsignal genug: Entweder es gibt zu wenig Personal oder es gibt strukturelle Schwierigkeiten. So oder so muss ich aktiv werden.“ Missstände können so in den einzelnen Einrichtungen des großen Trägers schnell erkannt und behoben werden, bevor es zu Qualitätseinbußen in der Leistungserbringung kommt.

Einfluss auf die Unternehmenskultur: Stimmung in der Verwaltung wirkt sich auf Leistungserbringung aus

Die Verwaltung zu optimieren habe außerdem direkten Einfluss auf die Unternehmenskultur und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sagt PLSW-Geschäftsführerin Lüneburg. „Unser Kaufmännischer Bereich steht heute für Effizienz und Standardisierung – nicht nur in den eigenen Prozessen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit dem operativen Geschäft. Wenn die Führungskräfte und Mitarbeitenden in den Einrichtungen Verlässlichkeit in der Verwaltung erleben, erfüllen sie auch verlässlicher ihre Bringschuld, wenn es z. B. um Monatsabschlüsse geht.“ Die Zusammenarbeit von Verwaltung und operativem Geschäft sei ein Geben und Nehmen, auch wenn das Geld im operativen Bereich verdient würde. Gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung hätten spürbar das Klima in dem Träger verbessert.

Gute Basis für die Unternehmensziele der PLSW

Neben der zügigen Umsetzung der noch als „orange“ oder „rot“ eingestuften Handlungsbedarfe im Kaufmännischen Bereich hat der Träger große Ziele für das neue Jahr 2021. So soll jede leistungsberechtige Person im Landkreis Schaumburg ein passendes Angebot für Leistungen der Eingliederungshilfe unterbreitet bekommen – dafür muss an dem Portfolio der PLSW weiter gefeilt werden. „Wir führen aktuell Gespräche mit den zuständigen Leistungsträgern. 162 Menschen mit Bedarf fallen demnach noch durch das Raster. Für die möchten wir jetzt passende Angebote schaffen“, so Annette Lüneburg. Das neue Berichtswesen sei dafür eine perfekte Grundlage, da es dem Träger erlaubt, zeitnah akkurate Wirtschaftlichkeitserhebungen für mögliche neue Projekte zu entwerfen. „Die vorliegenden Zahlen, Daten und Fakten geben uns einen Orientierungsrahmen dafür, wie wir neue Projekte – zum Beispiel ein inklusives Internat – aufziehen können“, so die Geschäftsführerin weiter.

Darüber hinaus hat bereits die nächste Fusion stattgefunden: Seit dem 1. Januar 2021 ist auch die Lebenshilfe Springe Teil des Trägers. „Ich bin unglaublich stolz, dass diese Fusion dank der Anpassungen im Kaufmännischen Bereich reine Formsache war. Die Migration der Lebenshilfe Springe ist ohne große Probleme von statten gegangen – jeder weiß, was er zu hat und wir freuen uns darauf, uns 2021 weiter zu professionalisieren und unseren Träger zu erweitern.“

Text: Marie Kramp
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