Wirksamkeitsnachweis: Dokumentation in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Mittwoch, 24 Februar 2021 10:56

Um dem Wirksamkeitsnachweis bzw. der individuellen Wirkungskontrolle von Leistungen zur Teilhabe gerecht zu werden, müssen Einrichtungen der Eingliederungshilfe ihre Dokumentation entsprechend optimieren. Dafür müssen alte „Dokumentationstraditionen“ aufgegeben und durch eine neue Strategie ersetzt werden, die klare Parameter für die an den erbrachten Leistungen und angewandten Methoden ausgerichtete Dokumentation beinhaltet. Besonders wichtig ist es dabei, die Mitarbeitenden zu schulen, denn häufig sehen sie das Thema Dokumentation sehr ambivalent.

Wirksamkeitsnachweis und Wirkungskontrolle erfordern transparente Dokumentation

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) und der Umstellung auf die personenzentrierte Leistungserbringung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe wurden auch der Wirksamkeitsnachweis sowie die Wirkungskontrolle von Leistungen zur Teilhabe eingeführt. Diese Aspekte sorgen nach wie vor zum Teil für Verunsicherung bei Leistungserbringern, weil Träger der Eingliederungshilfe bei Nicht- oder Schlecht-Leistung das Recht auf Kürzung der Vergütung haben. Bislang fehlt es in den meisten Ländern noch an einer passenden Methodik, um die Wirksamkeit einer Leistung überhaupt empirisch abbilden zu können. Einige planen, mit Schulnoten zu arbeiten, andere streben eine pädagogische Beschreibung und Begründung an, wieso eine Leistung wirksam war oder nicht. Der Leistungserbringer ist deshalb nun gefordert:

  1. Im Zuge der Leistungsdefinition für das Fachkonzept wirksame Leistungen anzubieten und mit entsprechenden sozialarbeiterischen und heilpädagogischen Methoden zu verknüpfen,
  2. die Dokumentation der personenzentrierten Leistungserbringung so zu gestalten, dass aus ihr hervorgeht, ob eine Leistung auch bei dem oder der einzelnen Klient*in die geplante Wirkung entfaltet hat, um die im Gesamtplan vereinbarten Teilhabeziele zu erreichen.

Wichtig ist: Nur, weil eine Leistung ggf. bei einem Menschen nicht die erhoffte Wirkung hatte, heißt das nicht, dass die Leistung per se nicht wirksam ist, sondern ggf. der Zeitplan für die Zielerreichung angepasst werden muss oder andere Methoden zur Zielerreichung notwendig sind. Eine transparente Dokumentation, die sich auf die wesentlichen Aspekte der Leistungserbringung fokussiert, bietet für eine solche Beurteilung die beste Grundlage – unabhängig von dem System zur Wirkungskontrolle des Leistungsträgers. Mit anderen Worten: Die Optimierung und Anpassung der Dokumentation in der Eingliederungshilfe ist keine Option, sie ist ein absolutes Muss im Zuge der BTHG-Umsetzung. Dies gilt im Besonderen beim Nachweis der Leistungserbringung von individuell abzurechnenden Einzel-/Fachleistungsmodulen.

Umstellung auf leistungsgerechte Dokumentation erfordert klare Ziele

Um die Dokumentation in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für den Wirksamkeitsnachweis tauglich zu machen, braucht es eine klare Zielsetzung, was genau die Dokumentation abbilden muss, um schlussendlich die Frage zu beantworten: Sind die Methoden, die wir anwenden, und die Leistungen, die wir anbieten, wirksam, um dem Menschen bei der Erreichung seiner individuellen Teilhabeziele zu unterstützen? Die Herausforderung gegenüber z. B. der Dokumentation in der Pflege ist, dass es bei pädagogischen Maßnahmen weniger um die Dokumentation von Zeit und klaren pflegerischen Interventionen als um weiche Faktoren geht. Das optimierte Dokumentationssystem muss letztlich abbilden, wie eine Leistung beschrieben wird, in welche Schritte sie gegliedert werden kann und was als Entwicklungsschritt gewertet wird. Weiche Faktoren müssen so gut es geht standardisiert darstellbar sein.

Für die Entwicklung der Dokumentations-Parameter und -Ziele kann es helfen, sich an den SMART-Kriterien zu orientieren und bei der Entwicklung die Mitarbeitenden einzubinden:

  • Spezifisch: Was wird warum dokumentiert? Wann sollte dokumentiert werden? In Welchem Umfang wird dokumentiert bzw. wird das überhaupt sinnvollerweise vorgegeben? In welchem Stil wird dokumentiert? Welche Informationen sind für den Wirksamkeitsnachweis relevant?
  • Messbar: Woran ist erkennbar, ob die Dokumentation auch das angestrebte Ziel erreicht und die relevanten Fakten zur Leistungserbringung abbildet? Wie kann ein Kontrollmechanismus aussehen, der Interventionen und Anpassungen der Dokumentationsparameter einleitet?
  • Attraktiv: Ist die Zielsetzung für die Mitarbeitenden attraktiv und nachvollziehbar? Wie begründe ich sie vor den Mitarbeitenden?
  • Realistisch: Ist das gesetzte Ziel generell bzw. innerhalb der festgelegten Zeit und mit den gegebenen Ressourcen erreichbar?
  • Terminiert: Bis wann soll das Ziel erreicht werden und die Dokumentation komplett umgestellt sein? / Wie sehen Meilensteine aus?

Personalentwicklung als zentraler Faktor

Ein besonders wichtiger Faktor, den es bei der Dokumentation von individuellen Teilhabeleistungen zu berücksichtigen gilt, ist der Umgang des Personals damit, denn es sind die Mitarbeitenden, die die Dokumentation umsetzen müssen. Dafür braucht es

  • Akzeptanz
  • Sensibilität
  • Professionalität

Dokumentation wird oft von den Mitarbeitenden als belastende Zusatzaufgabe in dem ohnehin engen Dienstplan-Korsett erlebt. Darunter leidet vielfach die Qualität der Dokumentation. Im ersten Schritt gilt es also, bei den Mitarbeitenden Akzeptanz für die Notwendigkeit einer sauberen Dokumentation zu schaffen. Das funktioniert z. B. über deren Partizipation bei der Entwicklung und Definition der Ziele und der damit verbundenen Teilschritte im Alltag, aber auch über die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen. Dokumentationssysteme sollten – egal ob handschriftlich oder elektronisch – möglichst intuitiv zu bedienen und auszufüllen sein. Außerdem kann eine Optimierung von Prozessen der Einrichtung, die durch die Umstellung auf personenzentrierte Leistungserbringung ohnehin notwendig wird, Raum für die Dokumentation geschaffen werden, sodass die Mehrbelastung nicht mehr so schwer wiegt. Mitarbeitende sollten außerdem den Sinn hinter dem Wirksamkeitsnachweis erkennen, was wiederum eng mit der Schulung in der Personenzentrierung zusammenhängt.

Neben der Akzeptanz ist es maßgeblich, dass die Mitarbeitenden dafür sensibilisiert werden, wertfrei zu dokumentieren. Ob ein Klient gut oder schlecht gelaunt war, ob er sich in den Augen einer Mitarbeiterin gut oder schlecht benommen hat, hat in der Dokumentation i. S. d. Teilhabeleistung nichts verloren und sagt nichts für den Wirksamkeitsnachweis aus. Personenzentrierung heißt, dem Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Mitarbeitende müssen hierin umfänglich geschult werden. Vorrangig gilt das für die Erbringung der Assistenzleistungen selbst – die Leistungen können nur ihre Wirksamkeit entfalten, wenn sie auch qualifiziert erbracht werden – aber für die Dokumentation braucht es gesonderte Entwicklungsmaßnahmen des Personals, denn die relevanten Aspekte aus der Leistungserbringung herauszufiltern und dann verständlich, transparent und wertfrei aufzuschreiben gehören nicht zur Ausbildung der Fachkräfte und nicht jeder Person liegt diese Art der Arbeit.

Es mag wirken wie eine kleine Stellschraube in dem großen Paradigmenwechsel BTHG, der Leistungserbringer vor bislang nicht gekannte fachliche, prozessuale und betriebswirtschaftliche Herausforderungen stellt. Doch wenn man richtig an ihr dreht, kann die „Stellschraube Dokumentation“ dem Leistungserbringer den notwendigen Nachweis darüber an die Hand geben, dass die vereinbarten Leistungen fachgerecht erbracht wurden – auch, wenn ein Ziel nicht wie vereinbart erreicht wurde.

Tipps: Dokumentation für den Wirksamkeitsnachweis

  1. Beachten Sie, dass die Dokumentation mit Folgesystemen kompatibel ist, um möglichst ohne Reibungsverluste oder erheblichen Mehraufwand in diese einfließen zu können.
  2. Stimmen Sie ab, was, wie (Form, Tiefe, Fragestellungen, Zielsetzungen, Frequenz) dokumentiert werden soll.
  3. Stellen Sie sicher, dass sich die Formulierung der Ziele an den SMART-Kriterien orientiert (s. o.).
  4. Beachten Sie, dass Berichte die W-Fragen beantworten (Wer? Wo? Was? Wann? Wie? Warum? Welche Quellen? Welche Folgen?).
  5. Ziehen Sie möglichst dokumentierende Mitarbeitende aus der Praxis bei der (Über-) Planung von Systemen frühzeitig hinzu.
  6. Legen Sie gemeinsam klare Struktur(en) (Ordnersysteme, Namensgebung, …) fest und definieren Sie Standards (Fachbegriffe, Kürzel, …).
  7. Beachten Sie notwendige Rückkopplungsschleifen, die automatisiert werden können.
  8. Achten Sie auf eine intuitive Bedienung von (elektronischen) Systemen, um die Akzeptanz zu sichern.
  9. Räumen Sie ausreichende Zeitkontingente ein, damit die Dokumentation ohne Zeitdruck in Ruhe erfolgen kann.
  10. Nehmen Sie den Datenschutz ernst. Sensible Daten bedürfen einer gesonderten Aufmerksamkeit.
  11. Überprüfen Sie regelmäßig die Effizienz. Sind die genutzten Systeme noch aktuell, ausreichend leistungsfähig? Nutzen Sie die Erfahrung der Mitarbeitenden.
  12. Planen sie frühzeitig notwendige Investitionen (z. B. für Schulungen, Datenschutz, Hardware, Software).
Text: Marie Kramp/Oliver Wilkes
© Karolina Grabowska von Pixabay

Birgitta Neumann

Portrait von Birgitta Neumann, Marktfeldleiterin Eingliederungshilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe, der contec

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