PDL hält Pflegenden den Rücken frei: Best Practice

PDL Best Practice
Montag, 27 Juli 2020 13:18

Von Mitte März bis Ende Mai hatte das Schmallenbach-Haus in Fröndenberg mit einem schweren Covid-19-Ausbruch in einem der stationären Pflegeheime zu kämpfen. Der Komplexträger ist das beste Beispiel dafür, dass das neuartige Virus vor niemandem Halt macht und selbst sehr gut aufgestellte Träger in die Krise stürzen kann. contec hat in Form eines Recovery-Mandats während der Krise ausgeholfen, als auch mehrere Pflegedienstleitungen erkrankten. Über die Schlüsselrolle, die den PDL im Schmallenbach-Haus zukam und was das für die Praxis jenseits von Corona bedeutet, haben wir mit Heinz Fleck, Geschäftsführer des Schmallenbach-Hauses, und Sebastian Sudhoff, Organisationsberater bei contec, gesprochen.

Der Covid-19-Ausbruch in einem der drei Häuser hat das Schmallenbach-Haus, einen katholischen Komplexträger mit drei stationären Pflegeheimen, einem ambulanten Dienst sowie Angeboten der Tages- und Kurzzeitpflege, in eine Krise gestürzt. Trotz vieler wichtiger Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsketten verstarben 19 Bewohner*innen und zwei Mitarbeitende an den Folgen der Lungenkrankheit.

Über die wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, gegen die Vereinsamung der Bewohner*innen und zur Trauerbewältigung hat Heinz Fleck in unserem Podcast „Zukunft der Pflege“ gesprochen.

Eine Maßnahme möchten wir in diesem Beitrag genauer in den Blick nehmen. Heinz Fleck entschied sich, die Arbeitskraft seiner Pflegedienstleitungen aus den anderen Einrichtungen für die Krisenbewältigung zu bündeln. Insgesamt vier PDL halfen im betroffenen Haus. Diese fehlten zwar physisch in den anderen Einrichtungen, haben diese aber weiterhin telefonisch und per Mail unterstützt. Außerdem kam durch diese Veränderung den jeweiligen stellvertretenden Pflegedienstleitungen in den anderen Einrichtungen eine wichtige Rolle zu. Da diese bereits vor der Corona-Krise eng mit den PDL zusammengearbeitet haben, konnten sie deren Stellvertretung aber problemlos übernehmen. Die Entscheidung hat sich bewährt: „Unsere Pflegekräfte waren einem hohen emotionalen und physischen Stress ausgesetzt. Um sie zu entlasten und ihnen die Fokussierung auf die Pflege der Bewohner*innen zu ermöglichen, brauchten wir die fachliche und Führungskompetenz der PDL“, so Heinz Fleck.

Auf dem Höhepunkt des Ausbruchs fehlten rund 90 von insgesamt 450 Mitarbeitenden des Trägers aufgrund einer Infektion oder Quarantäne. Auch jenseits der nachgewiesenen Infektionen mit dem Corona-Virus stieg der Krankenstand gegenüber dem Durchschnitt, wohl zum Teil auch aus Angst vor einer Ansteckung. Auch drei der vor Ort eingesetzten Pflegedienstleitungen fielen zeitweise aus. „Ich konnte keine Person in dieser Schlüsselrolle entbehren, also habe ich mir bei contec sozusagen eine PDL ‚geborgt‘.“ Sebastian Sudhoff übernahm die Stelle interimsweise. „Herr Fleck hat mit seiner Strategie alles richtig gemacht. Wir verweisen ja ohnehin immer darauf, dass die PDL eine Schlüsselposition in der Pflege innehat, die maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann. Dafür muss sie richtig eingesetzt sein und Raum für die Entfaltung ihrer Kompetenzen bekommen. Das gilt auch und vor allem jenseits der Krise. Im Schmallenbach-Haus wird dieser Ansatz bereits gelebt. Deshalb konnten die PDL und ihre Stellvertretungen hier Unglaubliches leisten“, so Sebastian Sudhoff.

Fachliche Herausforderungen: PDL plant, visitiert und kommuniziert

Als Dreh- und Angelpunkte in der Krise hatten die PDL verschiedene Kernaufgaben: Dienstplanung, Begleitung der Bewohnervisiten, Kommunikation zu Angehörigen und dem zeitweisen Heimarzt. „Wir haben uns strategisch aufgeteilt. Die aus dem ambulanten Dienst in die Einrichtung gekommene PDL und später dann die Gesamtpflegedienstleitung haben die Arztvisiten koordiniert und begleitet, sodass es dort feste Ansprechpartner gab. Ich habe mich um die Dienstplanung gekümmert und wir alle haben uns aufgeteilt, wenn es um die Begleitung der Bewohnerpflege ging. Die Pflegekräfte sollten sich voll auf die Pflege und soziale Betreuung der Bewohner*innen konzentrieren. Also haben wir auf den Gesamtzustand der Bewohner*innen geschaut und bei der Pflege unterstützt.“ Eine Rückendeckung für die Pflegekräfte war nötig, weil Ängste auf Seiten der Mitarbeitenden wie der Bewohnerinnen und auch tatsächliche Infektionen die Abläufe erschwert haben.

„Natürlich haben wir darauf geachtet, die Kontakte so gering wie möglich zu halten“, ergänzt Sebastian Sudhoff. So gab es zwei Quarantäne-Bereiche, auf denen die PDL ihre Pflegekräfte unterstützt haben. Auf dem dritten Wohnbereich des Hauses gab es keine Infektionen. Diesen haben die PDL möglichst nicht persönlich visitiert, um eine Übertragung dorthin auszuschließen. Außerdem haben die Leitungskräfte nur in Schutzkleidung die Zimmer der Bewohner*innen betreten und den nötigen Mindestabstand eingehalten. So haben sie es geschafft, sich selbst nicht zu infizieren und damit das Virus auch nicht weiterzutragen. Eine weitere große Herausforderung: Die Dienstplanung.  „Zum Teil musste ich von einem Tag zum nächsten planen, weil Mitarbeitende spontan ausfielen oder in Quarantäne mussten. Darüber hinaus musste ich die Stammbelegschaft mit den krisenbedingt eingesetzten Kolleg*innen aus drei Zeitarbeitsfirmen unter einen Hut bringen und darauf achten, bei wem die Quarantäne noch wie lange dauert,“ berichtet Sebastian Sudhoff. Auch pflegefachlich mussten die PDL zeigen, was in ihnen steckt. Die Bewohner*innen mussten genauestens beobachtet und bei den kleinsten Anzeichen ärztlich untersucht werden. „Dazu kam die emotionale Belastung der Bewohner*innen durch das Besuchsverbot. Diese hat zum Teil zu einer Verschlechterung des gesundheitlichen Gesamtzustands geführt, auch wenn gar keine Infektion vorlag“, so der Organisationsberater.

Führungsverantwortung: Ängste und Sorgen der Mitarbeitenden ernst nehmen

Heinz Fleck lobt aber nicht nur die fachliche Leistung der PDL, sondern auch deren Führungsverständnis. „Die Stimmung im Haus war zeitweise geprägt von Trauer, Sorgen und Ängsten. Die PDL waren immer für die Mitarbeitenden da, haben sie beraten oder auch einfach mal zugehört. Als Geschäftsführer habe ich mein Bestes gegeben, präsent zu sein, aber an dieser Stelle haben mich die PDL sehr entlastet, sodass ich mich auch um die Behördenangelegenheiten und die Umsetzung der sich rapide ändernden Verordnungen kümmern konnte.“

Und Sebastian Sudhoff ergänzt: „Die Situation war für alle Beteiligten neu und herausfordernd, aber zu keiner Zeit verzweifelt. Durch die transparente Strategie, die klare Aufgabenverteilung und die Präsenz aller Führungskräfte hat das Schmallenbach-Haus diese Krise sehr gut gemeistert. Ich habe das Gefühl, das Team geht – bei aller Trauerbewältigung, die sicherlich noch viel Zeit und Raum braucht – dennoch auch gestärkt aus der Corona-Krise hervor.“ Die Pflegekräfte und Mitarbeitenden des Schmallenbach-Hauses zeigen sich dankbar für die starke Führung durch die Krise. Als Dankeschön an ihre Führungskräfte haben sie ein Video aufgenommen, das auf der Facebook-Seite des Trägers zu sehen ist.

PDL: Der Schlüssel zum Erfolg

Im Falle des Schmallenbach-Hauses wurde die Unterstützung durch contec nur in der Ausnahmesituation der Corona-Krise notwendig. In anderen Einrichtungen ist die Schlüsselposition PDL mitunter aber eine Problem-Position: Hohe Fluktuation, schwer zu besetzen und teilweise fehlende Führungskompetenz. Den nötigen Raum, um diese zu entwickeln, haben die PDL aber oftmals nicht, weil sie zu stark in die operative Pflege eingebunden sind.

Sebastian Sudhoff: „Unser Verständnis von einer kundenzentrierten Pflegeorganisation sieht die PDL als Schlüsselposition, die maßgeblich für die Zufriedenheit von Pflegekräften und damit auch der Bewohner*innen mit verantwortlich ist. Die PDL ist eine Führungskraft und muss ihre Leitungsaufgaben wahrnehmen können und wollen. Das Schmallenbach-Haus ist ein gutes Beispiel dafür, wie zentral die Rolle der PDL ist, auch und vor allem in einer Krise.“

Heinz Fleck ist erleichtert, dass die Krise im Schmallenbach-Haus vorerst überstanden ist. „Solange wir aber keinen Impfstoff gegen das Virus haben, wird uns Corona weiter begleiten. Eine zweite oder dritte Welle ist nicht auszuschließen. Ich hoffe sehr, dass wir davon verschont bleiben, wir setzen alles daran. Aber es ist gut zu wissen, dass ich im Ernstfall auf mein Team zählen kann.“

 

Text: Marie Kramp
© Adobe Stock / Luca9257

Thorsten Böger

Thorsten Böger contec

Sie möchten Ihre PDL weiterentwickeln oder Nachwuchsführungskräfte aufbauen? Oder ist eine Ihrer Leitungskräfte längerfristig ausgefallen? Mit unserem Interim- oder Recovery Managament überbrücken wir Vakanzen oder entwickeln Ihre vorhandenen Leitungskräfte mit Training-on-the-Job. Sprechen Sie uns unverbindlich an!