Krisenmanagement aktiv steuern: Profis können helfen

Krisenmanagement
Dienstag, 28 April 2020 11:26

In einer Krise wie der jetzigen müssen Führungskräfte in Pflegeunternehmen entschlossen handeln, aktiv steuern, Ressourcen optimal einsetzen und so ein gutes Krisenmanagement sicherstellen. Wenn gerade in dieser Situation eine Führungsposition nicht besetzt ist, eine Führungskraft krank ausfällt oder aber die Führung vor Ort Unterstützung braucht, hilft der Einsatz erfahrener Interim- oder Recovery-Manager*innen. Die erfahrenen Praktiker*innen packen vor Ort operativ an, agieren flexibel und situationsbezogen – und das auch in akuten Krisenhäusern.

Kontroll- und Steuerungsverlust droht in der Krise

Die folgenden Szenarien erleben zurzeit viele Pflegeeinrichtungen: Angehörige laufen Sturm, Bewohner*innen fühlen sich isoliert und nicht einbezogen, Mitarbeitende kommen zunehmend unter Druck, befinden sich im Rechtfertigungsmodus und reagieren deshalb oft fachlich wie menschlich nicht mehr ihrer Profession entsprechend. Teilweise bleiben Mitarbeitende aus verschiedenen Gründen, z. B. Angst und Sorge, aber auch Ärger, gänzlich fern. Es besteht in dieser Zeit die Gefahr eines Kontroll- und Steuerungsverlusts.

Der Steuerungsverlust kann sichtbar sein: Das Geschehen wird dann nicht mehr aktiv gesteuert, es wird nur noch reagiert. Druck entsteht – im schlimmsten Fall leiden auch die Bewohner*innen darunter. Auch ein unsichtbarer Steuerungsverlust ist möglich. Dieser zeigt sich besonders nach der Krise, wenn Maßnahmen nach und nach fremdbestimmt werden. In einer Krise stehen Pflegeunternehmen stark auf dem Prüfstand. Es zeigt sich nahezu schmerzlich, wenn Prozesse nicht ausreichend funktionieren oder sogar ganz fehlen. Diese müssen nun im Krisenmanagement akut zum Laufen gebracht werden. Die Devise lautet dabei: Sichten, ordnen, priorisieren – und machen!

Kommunikation regeln, Mitarbeitende beteiligen

Neben der Fähigkeit zur Motivation und Deeskalation sind im Krisenmanagement jetzt auch besonders Maßnahmen der Kommunikation und Information gefragt. Die Führungskraft muss die kommunikativen Prozesse aktiv steuern, das heißt Kommunikations- und Informationswege regeln und festlegen. Dabei müssen die Mitarbeitenden beteiligt werden. In der Kommunikation nach innen muss die Führungskraft in erster Linie beruhigen und den Mitarbeitenden Zuversicht, Vertrauen und Handlungssicherheit vermitteln. Das gilt auch besonders, wenn es Rückschläge gibt, die verkraftet werden müssen.

Die Mitarbeitenden sind die entscheidende Einflussgröße dahingehend, wie das Unternehmen durch die Krise kommt. Aber auch die Kommunikation nach außen muss bewusst und sinnvoll gesteuert werden: Im Krisenfall sollte die Kommunikation vor allem regelmäßig und klar sein. Dafür müssen die zu informierenden Stellen erfasst, Zuständigkeiten geklärt und die jeweils angemessene Kommunikationsform gewählt werden.

Die Herausforderung: Krisenmanagement in drei Aufgabenbereichen

Es zeigt sich: Führungsqualitäten sind in der Krise weit mehr noch als sonst gefordert. Die Führungskraft muss stetig reflektieren, delegieren, kontrollieren und Maßnahmen anpassen. Auf Ebene der Geschäftsführung, Einrichtungsleitung oder Pflegedienstleitung sind dabei immer drei Bereiche parallel abzudecken: „Führen“ (u. a. Menschen führen, Verhalten beeinflussen, Ziele vorgeben), „Leiten“ (u. a. Aufgabenbereich kennen, Fachkompetenz einsetzen, Prozesse zielgerichtet steuern) und „Verwalten“ (u. a. Ablauforganisation vorgeben, Anordnungen geben, Dienstanweisungen erstellen). In der Krisensituation können diese Leitungs-, Führungs- und Verwaltungsaufgaben allerdings oft nicht mehr gleichzeitig und dabei ausreichend bewältigt werden. Eine Überforderung kann die Folge sein.

Profis im Krisenmanagement: Recovery- oder Interim-Management

Einrichtungen können sich Unterstützung durch einen externen Krisenmanager bzw. eine Krisenmanagerin einholen. Diese Person kann u. a. in Form eines Recovery-Managements unterstützend tätig sein. Sie greift dann in Leitungsprozesse ein und entlastet. Das geschieht durch Austausch, fachliches Input und konkrete Unterstützungsangebote. Sie sorgt auch für effektive Maßnahmenplanung. Es kann z. B. eine der Krisensituation angemessene Anpassung der Kommunikationsmatrix und der geltenden Verhaltensregeln notwendig sein. Die benötigte Fachkompetenz muss ein- und angefordert sowie organisiert werden (z. B. im Bereich Hygiene, Recht oder Bewirtschaftung). Der bzw. die Krisenmanager*in kann dabei helfen, dass Zeit- und Fachressourcen effizient genutzt werden.

Auch Verwaltungsprozesse können von einem externen Krisenmanager oder einer Krisenmanagerin übernommen und ergebnisorientiert gesteuert werden. So lässt sich die Führungskraft im Tagesablauf effektiv entlasten. Ebenfalls werden klassische Führungsaufgaben unterstützt. Das kann durch fachliches Input oder das Aufzeigen von Alternativen in der Steuerung, aber auch das aktive Führen von Mitarbeitergesprächen oder Moderieren von Diskussionsrunden und Besprechungen geschehen. Generell braucht die Führungskraft in der Krise oft ein Gegenüber auf Augenhöhe und ein Gesprächs- und Reflexionsangebot. Diese wichtige Funktion kann ein*e externe Krisenmanager*in erfüllen.

Im Rahmen eines Interim-Mandats in Linienverantwortung übernimmt der bzw. die Krisenmanager*in auch aktiv die Rolle der Geschäftsführung oder Einrichtungs- bzw. Pflegedienstleitung, steuert also selbst vorübergehend das ,Schiff‘. Die Einrichtung profitiert dabei von der Expertise und langen Praxiserfahrung der eingesetzten Personen, wodurch ein zielgerichtetes Krisenmanagement gesichert ist.

Nutzen und Nachhaltigkeit

Die Krise zu überstehen und dabei das ,Kerngeschäft am Laufen zu halten‘ ist nun die oberste Priorität. Doch im Interim- und Recovery-Management kann auch für die Zukunft gesorgt werden. Der Anspruch ist grundsätzlich, je nach Bedarf, auch eine ganzheitliche Prozessbetrachtung. Individuelles Veränderungspotenzial kann in einer Organisationsentwicklung herausgearbeitet werden. Das geschieht stets Hand in Hand mit dem Team vor Ort. Mit praxiserprobten Lösungen können Stabilität und Weiterentwicklung erreicht werden.

Der Blick von außen, der in einem Recovery- oder Interim-Management eingebracht wird, macht u. a. die genaue Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation oder der Erfüllung von Anforderungs- und Aufgabenprofilen auf Leitungsebene möglich. Nachdem die Krisensituation erfolgreich gesteuert und begleitet wurde, kann die Einrichtung gestärkt aus der Zeit hervorgehen. Die möglicherweise schon während der Krisensituation eingeleiteten Veränderungsprozesse lassen sich nachhaltig stabilisieren.

Text: Annemareike Merk/Linda Englisch
Bild: © Song_about_summer