Qualitätsmanagement in der Pflege: Alles eine Frage der Führung?
Qualitätsmanagement ist Chef*innensache: Stimmt die Qualität in der Pflege nicht, lassen sich die Ursachen oft auf der Führungsebene erkennen. Wir zeigen in diesem Beitrag, wie ein gut koordiniertes Führungsteam die Prozess- und Ergebnisqualität in Pflegeeinrichtungen maßgeblich verbessert und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.
In der stationären Pflegeeinrichtung läuft es nicht rund: Das Leitungsteam, bestehend aus Einrichtungsleitung, Pflegedienstleitung und Qualitätsmanagementbeauftragter, agiert unabgestimmt, Rollen und Aufgaben sind nicht klar definiert. In den letzten Jahren hat die Leitung mehrfach gewechselt. Entsprechend demotiviert sind die Mitarbeitenden, die nicht mehr daran glauben, dass sich wesentlich etwas ändert. Es gibt keinen Zusammenhalt, jede*r macht, was sie*er meint, jeder Bereich hat seine eigenen Regeln.
In den vom Träger beauftragten externen Audits zeigen sich deutliche Defizite in der Prozess- und Ergebnisqualität, zum Teil auch in der Strukturqualität. Hier ist mit erfahrenem Blick schnell klar: Es geht nicht allein um die Behebung von Mängeln im Qualitätsmanagement, vielmehr steckt die Einrichtung in einer tiefen Krise, die, so die Vermutung, vom Führungsteam ausgeht. Als ersten Schritt empfehlen die Expert*innen daher einen Werte-Workshop mit dem Führungsteam und den Mitarbeitenden. Mit der Maßnahme soll der Zusammenhalt im Haus gestärkt werden. Wie gehen wir miteinander um? Worauf legen wir in unserer Zusammenarbeit Wert? Wie kommunizieren wir miteinander? Wie teilen wir Informationen? Wie verfahren wir bei Konflikten?
Es folgt ein Aufgabenstruktur-Workshop mit dem Führungsteam, damit sich die Beteiligten bewusst mit ihren Rollen, den Aufgabeninhalten und Schnittstellen auseinandersetzen. Parallel dazu erhält die Einrichtungsleitung ein individuelles Coaching. Ziel ist es, sie in ihrer Rolle als Führungskraft zu stärken und sie auf ihre zentrale Rolle in der Maßnahmen-Steuerung vorzubereiten. Darauf aufbauend bekommen die Mitarbeitenden in zwei Workshops Gelegenheit, sich exemplarisch mit zwei Prozessen auseinanderzusetzen. Hier wird der Bottom-up-Ansatz verfolgt, der die Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung des Qualitätsmanagements einbindet. Die Führungskräfte nehmen an den Workshops teil, denn diese partizipative Herangehensweise sollte direkt von der Führung initiiert sein.
Trotz intensiver Begleitung gelingt es dem Führungsteam nicht, selbständig weitere in der Analyse identifizierte problembehaftete Prozesse gemeinsam mit den Mitarbeitenden zu bearbeiten. Es zeigt sich, dass die Einrichtungsleitung nach wie vor ihre Führungsrolle nicht wahrnimmt und nicht die Verantwortung für die QM-Prozesse übernimmt. Als sie dann längere Zeit ausfällt, muss die Entscheidung getroffen werden, keine weitere Entwicklung mehr mit ihr zu verfolgen und stattdessen das verbleibende Führungsteam zu befähigen, die Aufgaben der Einrichtungsleitung temporär zu übernehmen, bis die Leitungsposition neu besetzt ist.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie eng die Themen Qualitätsmanagement und Führung miteinander verknüpft sind. Wenn Qualitätsmängel auftreten, fehlen fast immer klare Strukturen und Prozesse. Oder diese sind nicht transparent genug und werden nicht konsequent umgesetzt. Dadurch sind die Zuständigkeiten nicht klar, es wird keine Verantwortung übernommen, Aufgaben werden hin- und hergeschoben oder gehen unter. Wenn auf der Leitungsebene keine Einigkeit besteht und kein planvolles Handeln existiert, wirkt sich das negativ auf alle Ebenen aus. Anders formuliert: Nur wenn die Leitung einer Einrichtung sich aktiv in das Qualitätsmanagement einbringt, wird es auch von den Mitarbeitenden umgesetzt. Qualitätsmanagement ist Chef*innensache. Das ist in der ISO 9001 und auch in den Landesrahmenverträgen für die stationäre Pflege ganz klar formuliert. Die Leitung muss mit gutem Beispiel vorangehen, die Mitarbeitenden im Sinne des Qualitätsmanagements führen und die Umsetzung einer bestmöglichen Pflege- und Versorgungsqualität intern sicherstellen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden die Qualitätspolitik der Einrichtung gut nachvollziehen können. Um die Akzeptanz zu steigern, müssen sie durch die Leitung einbezogen und mitgenommen werden.
Diese Aufgabe kann nicht delegiert oder in die alleinige Verantwortung der Qualitätsmanagementbeauftragten gegeben werden.
Kommunikation ist entscheidend
Zentrales Element für überzeugende Führungsarbeit und eine funktionierende Werte- und Unternehmenskultur ist die Kommunikation. Kommunikation erzeugt Anerkennung, bindet andere mit ein, sorgt für die Weitergabe wichtiger Informationen, beugt Konflikten vor. Ebenso sorgt eine klare Ansprache dafür, dass Prozesse und Strukturen bearbeitet und notwendige Qualitätsanforderungen erfüllt werden. contec setzt in diesem Kontext auf ein Führungskompetenzmodell, das im Wesentlichen auf drei Säulen aufbaut:
- 1. Methodisch-fachliche Kompetenz: Kennt die Führungskraft ihr Fachgebiet? Ist sie fachlich so versiert, dass sie versteht, was sie steuern und bewerten muss? Kann sie methodisch arbeiten? Verfügt sie beispielsweise über Präsentationskompetenz?
- 2. Soziale Kompetenz: Ist die Führungskraft in der Lage, tragfähige Beziehungen zu Mitarbeitenden, Bewohner*innen und anderen Personen aufzubauen, zu pflegen und weiterzuentwickeln? Ist sie zu Empathie fähig? Kann sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Zugewandtheit, Interesse und Aufmerksamkeit wertschätzen? Verfügt sie über Kritikfähigkeit/ -bereitschaft?
- 3. Selbstkompetenz: Ist die Führungskraft in der Lage, sich selbst zu reflektieren? Verfügt sie über ein gutes Selbst- und Zeitmanagement? Kann sie sich selbst motivieren und regulieren? Wie geht sie mit Belastungssituationen um?
Umso mehr verwundert es, dass Träger bei der Auswahl von Führungskräften nach wie vor mehr Wert auf die Fachkompetenz als auf die Soft Skills einer Person legen. Häufig fehlt es Führungskräften an Unterstützung bei der Entwicklung der Kompetenzen, die sie benötigen, um eine Einrichtung erfolgreich zu führen. Sie werden mit den komplexen Anforderungen an ihre Funktion allein gelassen – Supervision und Coaching sind eher selten. Es fehlt an psychologischem und kommunikativem Basiswissen, wie zum Beispiel der Erkenntnis, dass es für die Arbeitszufriedenheit von großer Bedeutung ist, wie man mit Mitarbeiter*innen spricht.
In Krisen den Austausch nicht vernachlässigen
Gerade für Einrichtungen in der Krise ist es elementar wichtig, in den Austausch zu gehen und dies auch zu bleiben. Leider ist es häufig eher so, dass die Kommunikation in schwierigen Zeiten vernachlässigt wird. Das Besprechungswesen wird eingestellt, sämtliche Ressourcen fließen in die Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe. Bei behördlichen Auflagen in Folge von Qualitätsmängeln fallen weitere administrative Tätigkeiten an: Berichte müssen gelesen, Stellungnahmen und Maßnahmenpläne geschrieben werden. Es bleibt keine Zeit mehr für die Kommunikation untereinander. Eine folgenreiche Entwicklung, denn wenn beispielsweise in der Pflege keine Fallbesprechungen mehr stattfinden, führt dies unweigerlich zu weiteren Qualitätseinbußen: Informationen über gesundheitliche Einschränkungen oder besondere Risikolagen von Bewohner*innen werden nicht im Team diskutiert und weitergegeben. Wichtige Informationen gehen verloren. Die Mitarbeitenden fühlen sich nicht wahrgenommen in ihren Sorgen und Nöten. Das Betriebsklima leidet. Konflikte entstehen. Im schlimmsten Fall kommt es zu gravierenden Fehlern in der Versorgung der Pflegebedürftigen.
In Führung investieren
In besonders schwerwiegenden Fällen kann es erforderlich sein, sich von der Führungskraft zu trennen, um weitere Folgen für die Einrichtung abzuwenden. Hier wäre es fatal, noch länger an der personellen Besetzung festzuhalten und damit die dysfunktionalen Strukturen zu verfestigen. Aber es gibt auch andere Strategien. Die Erfahrung zeigt, dass sie oft sogar erfolgreicher sind als ein harter Schnitt. Denn aus betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht ist eine Neubesetzung immer mit hohen Kosten verbunden − es dauert mindestens ein Jahr, bis der oder die Nachfolger*in eingearbeitet ist. Damit es nicht so weit kommt, sollten die Träger sich fragen: Habe ich alles getan, um meine Führungskraft fit zu machen? Wo liegen ihre Stärken? Wo die Schwächen? Welche Unterstützung braucht sie, um sich weiterzuentwickeln? Investitionen in Fortbildung, Supervision und Coaching von Führungskräften sind im Vergleich wesentlich kostengünstiger als Neubesetzungen.
Qualitätsmanagement – alles eine Frage der Führung?
Schlechte Ergebnisse im Qualitätsmanagement sind ein deutliches Indiz dafür, dass in einer Einrichtung etwas nicht stimmt. Nicht selten, so zeigt es die Erfahrung, lassen sich die Ursachen auf der Führungsebene einer Einrichtung erkennen. Die Aufgabe einer Einrichtungsleitung ist es, als Vorbild zu agieren und dafür zu sorgen, dass die Unternehmensphilosophie umgesetzt wird. Sie überwacht das Qualitätsmanagement und führt die Mitarbeitenden. Gelingt dies, profitieren alle gleichermaßen davon: Die Einrichtung verbessert sich nachhaltig und ist in der Lage, Prozesse bei Bedarf schnell anzupassen; die Mitarbeitenden fühlen sich wahrgenommen und unterstützt, was wiederum positive Auswirkungen auf die Motivation und die Arbeitsplatzatmosphäre hat; die Bewohner*innen erhalten eine optimierte Pflege- und Betreuungsqualität.
Text: Susanne Rösler | Sven Vogelsang | Annette BorgstedtSven Vogelsang
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