Neues zum Tarifvertrag Pflege: Die Meinungen sind kontrovers
News aus der Pflege: Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP), bestehend u. a. aus Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Diakonischen Dienstgeber in Niedersachsen, dem Paritätischen Gesamtverband und der Volkssolidarität, sowie die Vereinte Dienstleistungsgesellschaft (ver.di) geben an, sich am Mittwoch, 16. September, in Berlin auf einen gemeinsamen Verhandlungsstand in der Frage eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für die Berufe in der Altenhilfe geeinigt zu haben. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten. Hier ein kurzer Überblick über die Inhalte sowie Reaktionen aus der Branche.
In deutlicher Abgrenzung zu den bisherigen Pflege-Mindestlöhnen würde das Stunden-Entgelt laut ver.di und BVAP in drei Schritten für Pflegefachkräfte auf 18,50 € und für Pflegehelfer*innen auf 14,15 € steigen. Der Urlaubsanspruch erhöhe sich auf 28 Tage. Außerdem sei eine jährliche Sonderzahlung vorgesehen. Der Tarifvertrag soll bis Mitte 2023 laufen.
Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für mehr Fairness in der Pflege
„Wir haben gestern einen großen Schritt für die Aufwertung der Pflegeberufe in der Altenhilfe gemacht. Als Arbeitgeber sind wir dabei bis an die Schmerzgrenze gegangen“, heißt es in einer Pressemitteilung von BVAP-Vorstandsmitglied Gero Kettler. (s. dazu auch hier)
Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, betont: „Wir wollen, dass die Pflegekräfte in der Altenpflege eine Prämie bekommen, unabhängig davon, ob sie einen Tarifvertrag haben oder nicht. Deshalb werden wir beantragen, dass der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird und alle Arbeitgeber diese Prämie zahlen müssen – auch die kommerziellen Anbieter, die faire Löhne für die verantwortungsvolle Arbeit in der Pflege verweigern.“ (s. dazu auch hier)
Mehr Kosten als Nutzen durch den Tarifvertrag?
Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) spricht sich dagegen deutlich gegen einen solchen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag aus und bemängelt, dass ver.di auf Arbeitnehmerseite und der BVAP auf Arbeitgeberseite „nur eine verschwindende Minderheit der Pflegebranche repräsentieren“. Geschäftsführer Thomas Knieling weiter dazu: „Viel wichtiger wäre, dass die Politik Licht ins Dunkel der Gegenfinanzierung bringt. Ohne eine Neuordnung der Pflegefinanzierung bleibt die finanzielle Mehrbelastung, die aus den steigenden Personalkosten der Einrichtungen resultiert, in vollem Umfang bei den Pflegebedürftigen bzw. bei der Sozialhilfe hängen. Vor dem Hintergrund der steigenden Eigenanteile ist das keine Option. Hier muss die Politik Lösungsvorschläge anbieten, anstatt einem Tarif hinterherzujagen, den keiner will.“ (s. dazu auch hier)
Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienstleistungen (bpa) kritisiert das Vorhaben weiterhin. Präsident Bernd Meurer: „Offenbar wird übersehen, dass in keiner anderen Branche in den letzten Jahren so viele neue Stellen geschaffen wurden wie in der Altenpflege. Alleine in den letzten Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten in der Altenpflege um mehr als 100.000, was ein klares Zeichen für die Attraktivität der Branche ist. […] Übersehen wird scheinbar auch, dass die Lohnentwicklung in der Altenpflege erheblich dynamischer ist als in anderen Branchen. Von 2015 auf 2019 stiegen die durchschnittlichen Gehälter für Altenpflegefachkräfte um 18,6 Prozent; fast doppelt so stark wie im Vergleich aller Branchen (10,3 Prozent).“ (s. dazu auch hier)
Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP) erklärt den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für ein „Instrument aus dem Baukasten von vorgestern“ und fragt: „Der Allgemeinverbindliche Tarifvertrag wird die Kosten für die alten Menschen nach oben treiben, wird weitere Investitionen in Neubauten, in Einzelzimmer bremsen und den Steuerzahler belasten. Wem kann daran gelegen sein?“ (s. dazu auch hier)
Das Thema, das durch die Konzertierte Aktion Pflege auf die Agenda der Politik gerückt ist, bleibt also umstritten.
Mehr zu den einzelnen Reaktionen finden Sie auch in den jeweiligen Pressemitteilungen der Akteure: