3 Fragen an die Praxis: Der Umgang mit Corona in der Pflege

Umgang mit Corona in der Pflege
Dienstag, 12 Mai 2020 16:16

Die Corona-Pandemie stellt die Mitarbeitenden von Pflegeheimen sowie die Bewohner*innen und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Der Umgang mit Personalausfällen, fehlenden Schutzmaterialien und den Besuchseinschränkungen ist für alle Beteiligten eine Belastung in fachlicher sowie persönlicher Hinsicht. Stellvertretend für viele Pflegeheimbetreiber sprechen wir mit Frank Drolshagen, Geschäftsführer der SBO Seniorendienste Bochum. Mit seinem Hintergrundwissen aus dem Katastrophenschutz schildert er uns die Besonderheiten im Umgang mit der Corona-Krise in der Pflegebranche.

Herr Drolshagen, Sie haben langjährige Erfahrungen im Umgang mit Notlagen durch Ihre Arbeit im Katastrophenschutz. Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen die aktuelle Lage um das Corona-Virus ein?

In meiner 14-jährigen Zugehörigkeit zum Katastrophenschutz wurden ähnliche Situationen immer wieder im Zusammenhang mit ABC-Angriffen simuliert. Dass ein solches Szenario – wenngleich nicht durch unmittelbares menschliches Zutun – wirklich eintritt, hätte ich niemals erwartet. Die Maßnahmen, welche die Bundes- und die Länderregierungen in den letzten Wochen ergriffen haben, sind völlig angemessen. Die Infektionswelle konnte durch Unterbrechung der Ansteckungsketten eingedämmt und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden. Nach meinen Erfahrungen im Katastrophenschutz hätte ich mir aber von Beginn an eine konsequentere Schärfung der Maßnahmen gewünscht, um schnellere Ergebnisse zu erzielen. Ein zu spätes und schleppendes Reagieren kann katastrophale Folgen haben, wie man an den Fallzahlen in Italien und der USA gesehen hat.

Welche Auswirkungen und Eingriffe in die tägliche Arbeit spüren Sie selbst als Betreiber mehrerer Altenhilfeeinrichtungen?

Das Hauptproblem in unseren Einrichtungen war die Ausstattung mit Schutzmasken, Schutzkitteln, Schutzbrillen und Desinfektionsmitteln. In den letzten Jahren haben wir den Lagerbestand so klein wie möglich gehalten und erst bei Bedarf Schutzmaterialien nachgeordert. Durch die hohe Auslastung der Lieferanten sind die Lieferzeiten derzeit entsprechend lang und die Kosten hoch. Wir erhielten zunächst eine Teillieferung von 210 Masken für rund 480 Mitarbeitende. In den letzten 6 Wochen seit dem Ausbruch der Pandemie konnten wir den Bestand an Schutzmaterialien dann auf rund 30.000 Stück erhöhen und somit den nächsten Wochen „beruhigt“ entgegensehen. Natürlich ist mir bewusst, dass eine große Logistik über Bund, Land und Kommunen hinter der Bereitstellung steht und dass Krankenhäuser oberste Priorität haben. Leider zeigen aber Fälle wie Würzburg oder Wolfsburg, was in einem Pflegeheim passieren kann, wenn erst einmal mehrere Bewohner*innen und Mitarbeitende infiziert sind. Wir haben in unseren Einrichtungen bisher keinen bestätigten Verdachtsfall. Trotzdem gibt es natürlich ein Personalausfallkonzept, ebenso halten auch die Personalleasingagenturen ihr Personal bereit. Ich hoffe aber, dass die SBO noch ein wenig Zeit mit der Inkraftsetzung dieser Notfallmaßnahmen hat.

Eine weitere Maßnahme, an der die Leitungskräfte der SBO derzeit arbeiten, sind individuelle Besucherkonzepte für jede der vier Einrichtungen, um im geschützten Raum wieder einen Gesprächskontakt zwischen den Bewohner*innen und ihren Angehörigen herzustellen. Dies wird durch eine Tür in der Cafeteria im Erdgeschoss, die durch eine feste Folie gesichert ist, ermöglicht. Die Bewohner*innen verbleiben dabei in der Einrichtung und die Angehörigen können auf der überdachten Terrasse Platz nehmen. Für eine größere Einrichtung haben wir zwei Weihnachtsmarktbuden gemietet, die im Garten platziert sind. Der Bewohner oder die Bewohnerin sitzt in einem Abstand von drei Metern in einem dort vorhandenen festen Pavillion und die Angehörigen können bei geöffneter Klappe mit den Bewohner*innen sprechen. Natürlich tragen alle eine Schutzkleidung.

Was würden Sie anderen Anbietern der Pflege durch Ihren Umgang mit der Corona-Krise raten?

Jemand anderem einen Rat zu geben ist immer schwer, da es unterschiedliche Strukturen und Ansichten in der Pflegelandschaft gibt. Durch den Kontakt zu anderen Trägern bin ich mir aber sicher, dass wir gut aufgestellt sind und die Notfallpläne, die jede Einrichtung haben sollte, abarbeiten können. Das Wichtigste ist jetzt, Ruhe zu bewahren und jede Entscheidung sorgsam zu durchdenken, bevor wir sie in die Praxis umsetzen. Angst und Panik war und ist ein schlechter Ratgeber.

Des Weiteren müssen wir die pflegenden und betreuenden Fachkräfte schützen und unterstützen. Ich habe deshalb – wie viele Geschäftsführer und Vorstände in den letzten Wochen – einen Mitarbeiterbrief verfasst, der den Fachkräften die Sicherheit geben soll, dass die Leitungsteams sowie der Geschäftsführer, jeder auf seiner Ebene alles daran setzt, diese Corona-Pandemie gesund zu überstehen und für die Bewohner*innen da zu sein.

Innerhalb der Branche und auch in unseren Einrichtungen sollte nach der Krise besonders bezüglich der Schutzmaterialien ein Umdenken erfolgen, welches eine Vergrößerung der Lagerhaltung und die lokale Produktion stärker in den Blick nimmt. Dadurch steigen zwar die Lohnkosten zulasten der Pflegeversicherung, aber Gesundheit sollte nie eine Frage des Preises sein.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Drolshagen!

Text: Lisa Ringele
© Ake/ rawpixel

Thorsten Böger

Thorsten Böger contec

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